Quelle: www.digibib.tu-bs.de/?docid=00034119
Die
Bedeutung des Kunsttheoretikers Lessing für die »Nachtwachen«
wurde schon von Hermann Michel erkannt. Neben
kleineren Motiven wie dem - wiederholt begegnenden
–
,
daß mit dem Begriff eines ewigen Lebens oder Wesens
die Vorstellung entsetzlicher Langeweile
verbunden ist, auch der Interpretation
des sich verhüllenden Timanthes, hat man
den bestimmenden Einfluß des »Laokoon«
hervorgehoben.
Als Erörterung der Grenzen der Kunst war er
insbesondere in der 4. Nachtwache und
im gleichzeitig (Anfang 1804) niedergeschriebenen
Hogarth-Essay zu studieren. Offenkundig
sind noch kleinere Referenzen wie das Bild
vom Todesgenius mit der umgestürzten
Fackel (5. Nachtwache) oder die Metapher vom
Schlaf, der »die Bildsäule seinem Bruder in die
Arme gelegt« habe (10. Nachtwache). Versteckter ist
dies bei der Unterzeichnung der drei Todesurteile,
einer Szene (3. Nachtwache), die Wolfgang Paulsen
als Verschärfung der Schlußszene im 1. Aufzug
der »Emilia
Galotti«
deutet;208
wofür
außerdem spricht, daß Klingemann in den »Ruinen«
schon
so vorging und einen Fürsten –
noch
keinen Juristen also –
im
»grimmigen Durst nach Genuß« Bluturteile
bzw. die Einführung des Inquisition unterzeichnen
ließ.209
Das
in den »Nachtwachen«
mehrfach
angesprochene Stück wurde 1772 in
Braunschweig uraufgeführt; Gerüchten
zufolge waren die Rollen des Prinzen und der Orsina
auf den Braunschweiger Erbprinzen und die schöne
Branconi zu beziehen. Als letzte Lektüre
Werthers wie auch Jerusalems wurde das
Trauerspiel erneut mit Braunschweig verbunden,
und um so inniger, als der junge Jerusalem
als Assessor in der Wolfenbütteler
Justizkanzlei zu den wenigen freundschaftlich
mit Lessing verbundenen Besuchern
gehörte (Lessing gab denn auch seinen
philosophischen Nachlaß heraus).
Selbstverständlich
hat sich
auch der Theaterleiter Klingemann in vielem von Lessing anregen
lassen, vom Projekt eines »Nationaltheaters«
an bis zu Einzelheiten der Ausbildung von Schauspielern.
1818 veröffentlichte
Klingemann»mit Benutzung des Lessingschen
Fragments« das Lustspiel »Die
Witwe von Ephesus«.
Angezogen haben dürfte ihn die kaum verhüllte
Vampirabkunft des Sujets, die bei Bächtold-Stäubli
beschriebene leichte Verschiebung,
daß anstelle des
Lebenden Leichnams des Gatten ein Fremder in
der Grabeskammer die Liebe der Witwe
genießt.210
Klingemann weicht nur in
dem einen Punkt erheblich von der Vorlage
ab, daß er am Ende den Eingesargten vom Scheintod
des »Starrkrampfes« wiedererstehen
läßt
und
so sich wieder dem Vampirkomplex nähert.
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208
Paulsen,
a.a.O. (Fußnote 109), S. 478 209
Die Ruinen im Schwarzwalde,
a.a.O. (Fußnote 52), Bd. 1, S. 122 210
Bächtold-Stäubli,
a.a.O. (Fußnote 122) s v Witwe
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