COLLEGIUM MEDICUM IN BRAUNSCHWEIG UND LEISEWITZ
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Bildquelle: www.tripota.uni-trier.de/portraits/385/2/385_0031_p_500.jpg
schüttelnd,
donnernde Flüche und Verwünschungen austoben und wild auflachen,
daß es durch die
Gewölbe
wiederhallt; eben solcher gewaltsamer Kraftäußerungen halber, mich
weit minder geängstigt
und vielmehr in mir selbst frei
gegeben haben. Der eine unter diesen Wüthenden glich, nackt, und nur
mit einem zerfetzten, Mantelartigen Gewände umhüllt, dem wahnsinnig
fluchenden Lear, und schleu-
derte mir, als ich ihm nahe kam,
verhärtete Brodrinden wild entgegen.«182
Auch
Kreuzgang in der 14. Nachtwache hört jemanden in der Nähe
schrecklich mit den Ketten rasseln und findet im Kontrast
dazu die Wahnsinnigen um Ophelias Lager, »alle schweigend, aber
seltsam gestikulirend und sich gebärdend;
einige lächelnd, andere tief nachsinnend, noch andere den Kopf
schüttelnd«. Ophelia, die »abgerissene
Gesänge, wie wunderbare Geistersprüche, hören ließ,«183
zeigt wie jene
Gegengestalt des »Lear« nun aber deutlich an,
daß Klingemanns Betroffenheit schon literarisch,
durch die Shakespeare-Rezeption des Sturm und
Drang vermittelt worden war. Kein anderer als Johann
Anton Leisewitz (1752-1806), ab 1805 Chef jenes
Obersanitätskollegiums (Collegium Medicum),
hat hierfür und für andere Themen der »Nachtwachen«
die wichtigsten Vorarbeiten erbracht. Die
Erinnerung an den »hypochondrischen und
unzugänglichen Leisewitz«, schreibt
Klingemann 1819, »wird mir selbst für immer theuer
bleiben, da ich mich in seiner letzten Lebensperiode
seiner besondern Theilname zu erfreuen hatte«.184
Er bezieht sich nicht allein auf den Zeitraum 1805/06,
als seine Behörde von Leisewitz geleitet
wurde. Leisewitz war zuvor viele Jahre mit
der Reform des Braunschweiger Armenwesens
befaßt; eine Notiz Klingemanns (1828), daß »ich ...
längere Zeit in seinem Departement
arbeitete, und ihm, da er mir freundlich wohlwollte,
so oft persönlich nahe war«, kommentiert
Burath mit der wohl triftigen Vermutung, daß Leisewitz,
zumal wenn es für die Armenvisitationen
Ärzte anzufordern galt, oft mit dem
Obersanitätskollegium
zusammenarbeitete.185
Zudem war er um 1802 sehr gewissenhaftes Mitglied in vier
Deputationen, darunter in der
Medizinal- und Registraturdeputation.186
Schließlich deutet auch Klingemanns Freundschaft
mit August Winkelmann, dem Neffen von Leisewitz, auf
eine viel frühere Bekanntschaft mit dem Dichter (der
bei seinem Schwager, dem Großhändler Dietrich
W. Winkelmann ein und aus ging).187
--------------------------------------------------------------------------------------------182 Kunst und Natur, a.a.O. (Fußnote 23 auf S. 22), Bd. 1, S. 355f.
183 14. Nachtwache, a.a.O., S. 158 u. 170
184 Kunst und Natur, a.a.O., Bd. 1, S. 180f.
185 Kunst und Natur, a.a.O. Bd. 3, S. 54 bzw. Burath, a.a.O. (Fußnote 84 auf S. 58), S. 35
186 Jahrbuch
des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig
(Wolfenbüttel 1902ff.), Jg. 1905, S. 50ff.
187 Leisewitz. Tagebücher, hg. v. H. Mack u. J. Lochner (2 Bde, Weimar 1916 u. 1920), Bd. 2, s. Register S. 381
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