SELBSTSTILISIERUNGEN ÜBER DEN EIGENNAMEN
____________________________________________________________________________________
In der Gegenszene der »Bianca di Sepolcro«, als Heliodor von Bravos und tanzenden Karnevalsmasken umringt wird, ist das Annihilierende dieser Art von Demaskierung womöglich wiederum als Spiel mit dem eigenen Namen inszeniert:
»Schwertfeger bin ich, wollt Ihr Klingen proben? -
Hei rings umher welch lustig toller Fasching!
Zurück, ihr Larven sonst entlarv' ich Euch!«90
Wie ja für die 10. Nachtwache zu sehen war <im gedruckten Buch S. 161f.>, scheint der kämpfende Künstler Heliodor hier die Maske Klingemanns zu sein, der sich als Theaterdirektor gegen den Braunschweiger Herzog zur Wehr zu setzen hatte.
Da diese Braunschweiger Machtprobe in Klingemanns Oeuvre die einzige Gegenszene zu den umringenden Schellenträgern ist, habe ich nun doch auf eine Braunschweiger Sehenswürdigkeit ersten Ranges aufmerksam zu machen, die ausführlich schon 1789 in Ribbentrops »Beschreibung der Stadt Braunschweig« vorgestellt wird. Es ist dies die Gruppe lebensgroßer Statuen am Altstadtrathaus, Braunschweiger Herzöge sowie deutscher Könige und Kaiser, die in einem rechten Winkel um den Betrachter postiert sind und als charakteristische Tracht den sogenannten Dusing, eine Schellenkleidung tragen. Ribbentrop (Bd. 1, S. 208-214):
»An den 9 Pfeilern der Bogenlauben sind Nischen, worin in Stein ausgehauene Statüen von 5 bis 6 Fuß in der Höhe stehen. Auf dem ersten Pfeiler gegen die Martinikirche ist die Statüe Kaiser Heinrich des Finklers, in langer Kleidung, über der linken Schulter gegen die rechte hängt ein Gürtel oder Schnur, woran Schellen sind ... Am zweiten Pfeiler Otto I. ... Hat eine gedoppelte Schnur mit Schellen um den Hals, welche auf die Brust herabhängt ... Am fünften Pfeiler im Winkel, Kaiser Lotharius ...Am siebten Pfeiler Heinrich der Löwe ... Deßen Gemalin ... Alle Figuren haben ... Gürtel und Umhänge, woran Schellen hängen. Man nannte diese Gürtel in der alten Sprache Dusinge, Duchsinge ...
Dus, Thys hies ein Klang ... Sie war Anfangs eine Tragt der Großen, welche dadurch ihre Ankunft und Gegenwart zu erkennen geben wollten, und daß Geringere ausweichen sollten ...«
Auch Klingemann geht in »Kunst und Natur« einmal auf das Rathaus mit den 17 Figuren ein: »Der gothische Bau ... ist besonders merkwürdig durch die in den Blenden der verschiedenen Mauerbogen angebrachten steinernen Bildsäulen ... Das Costum dieser, an sich steif und geschmacklos ausgeführten Figuren« zeichne sich dadurch besonders aus, daß sich »überall der Schellengürtel (sogenannte Dusing) dabei vorfindet«; und er macht einige kunsthistorische Anmerkungen zu dieser ursprünglich wohl »morgenländischen« Mode (a.a.O., Bd. 2, S. 448).
------------------------------------------------------------------------------------------
90 August Klingemann, Bianca di Sepolcro. Trauerspiel. In: A.K., Melpomene (Braunschweig 1830), S. 210
- 61 -