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LITERARISCHER VAMPIRISMUS. KLINGEMANNS NACHTWACHEN. VON BONAVENTURA 

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duldete keine »blutleeren Dich­tergeschöpfe« um sich, lehnte eine Aus­bil­dung zu »Sprechmaschinen« nach Art der Weimarer Bühne sowie das routinierte Aufwachsen von Kin­dern auf den Bret­tern und so­gar die Einrichtung des Rollenfachs als künstlerische Skle­rose ab. Nicht auf Rol­len­vir­tu­o­sen ha­be der Büh­nenleiter Wert zu legen, son­dern auf das Zu­sam­men­stim­men des ein­zel­nen Künstlers zu seinen Mitschau­spielern. Dies ein Aspekt der po­si­ti­ven, be­rühmt ge­wor­de­nen Bühnenverfas­sung Klingemanns, seiner Konstruktion eines »Totals«, das eben­so­sehr das En­sem­ble wie das universelle Repertoire, die schachbrettgleiche »Bühnentopik« wie die ein­zel­nen Büh­nen­kün­ste be­rücksichtigen sollte und so umfassend erst bei den Meiningern oder bei Wag­ners Ge­samt­kunst­werk wie­der an­zu­tref­fen gewesen sein soll.81 Burath, der hinter Klin­ge­manns Be­mü­hun­gen ein neu­es Berufsethos verspürt, vemag auch den befremdlichen Umstand, daß er als ei­ner der er­sten Di­rek­to­ren vor kon­trakt­brüchigen Schauspielern in öffent­lichen Anzeigen war­nen ließ, als ord­nungs­po­li­ti­schen Aus­druck dieses Ethos zu erkennen und mit der Liberalität im Inneren zu sehen, daß Klin­ge­mann bei Rol­len­strei­tig­kei­ten nicht von seinen Befugnissen Gebrauch machen wollte, son­dern die Mit­glie­der der Büh­ne in ei­nem Rollenschiedsgericht entscheiden ließ.82

   So sollte die Bühne, mit eigenem Instrumentarium und in eigener Gesetz­mäßigkeit, als Pro­me­the­ische Werkstatt dem noch unbekannten Wesen des Menschen sich widmen und - im Spiel - ihm Da­sein ver­schaf­fen. Wo­bei Klin­gemann jedes Vermischen und Verwirren von Realität und künst­le­ri­schem Schein peinlich war, so besonders der Tod des Theaterdirektors Fabrizius, der 1821 bei der In­spek­ti­on ei­ner Pi­sto­len­sze­ne seinem Leben ein effektvolles Ende setzte (man wird an Ro­quai­rols Ab­gang er­in­nert). Wor­an er freilich Tag für Tag zu arbeiten hatte, waren Unfertigkeiten bei je­nem Läu­te­rungs­pro­zeß, dar­un­ter auch bleibende Überfremdungen des Schauspielers durch die ei­ge­ne Per­sön­lich­keit. Mil­de noch tadelt er etwa bei Amalie Neumann, daß ihr liebli­ches Naturell über­all durch­bli­cke und man dar­um die Rol­len­na­men gleichsam nur als Vornamen zu dem ihrigen stel­len dür­fe (»Gret­chen-Neu­mann«, »The­kla-Neumann« usw.). Schärfer und für den Leser der 14. Nacht­wa­che in­ter­es­san­ter sei­ne Be­merkungen zu dem Schauspieler Leo, dessen »eigenes Nerven­sy­stem ... in sein Kunst­werk mit über­ge­gan­gen war, und ... mit fühl­te, mit litt, ja mit verzweifelte«, so daß er in Mord­sze­nen im­mer sorg­sam über­wacht und vorher gar heiter gestimmt werden mußte; bei ir­gend­wel­chen äu­ße­ren Stör­un­gen sei es zuweilen geschehen, daß er, gerade wegen dieser en­gen Ver­knüp­fung mit der Rol­le, »aus der Rol­le völ­lig zu sich selbst über­trat«, das Publikum und die an­de­ren Spie­ler be­schimp­fte und sei­nen Direktor Klingemann durch hand­feste Wahn-

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81  Hugo Burath, a.a.O. (Fußnote 23 auf S. 22), S. 133ff.     82  ebd., S. 124 

 

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Ehemalige Villa des Theaterdirektors Klingemann am Braunschweiger Wendentorwall (Photo 1983 von H.F.)
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