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ZERSPRUNGENE IDENTITÄT
KLINGEMANN - ›NACHTWACHEN VON BONAVENTURA‹

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heutigen im Entstehen selbst sich liquidierenden Formen gesellschaftskonträrer Kunst. Keineswegs birgt dies Beharren schon ei­nen Hoffnungsfunken. - Fontane als »Zeit«-Romancier oh­ne Publikum für den Kern seiner Texte mußte sich als ein Phantom vor­kom­men - nicht voraussehbar war die so­zi­al­po­li­ti­sche Si­tuation, die zuletzt im ›Stechlin‹ einen Verbin­dungsstrang ertasten ließ mit Zeit­ge­schich­te, kei­nen evo­lu­ti­o­nären. »Bonaventura« klingt nach purem Hohn auf jedwede Wir­kungs­ge­schich­te, die Bri­sanz des Ge­halts hat die Erwartungsform von Nachtwachen ausgeblasen. Daß nicht der »Ich«-Er­zäh­ler, »Kreuz­gang« als Ver­fas­ser genannt wird sondern das herausfor­dernde Pseudonym, setzt in­des ei­ne nicht ge­wöhn­li­che Dif­ferenz zu dem Text und sei­nem fin­gierten Helden (eine, die so auch für die An­kün­di­gung zu ›Des Teu­fels Ta­schen­buch‹ gilt, die etwa ein halbes Jahr nach Er­schei­nen der ›Nacht­wa­chen‹ von »Bo­na­ven­tu­ra« erläuternd vorgelegt wird, während der in »Ich«-Rolle gegebene Ein­lei­tungs­text sig­niert ist mit »der Teu­fel«). Die­se Un­stimmig­keit hat Methode, auch sie paßt in das do­mi­nie­ren­de Bild der über­ein­an­der­ge­zo­ge­nen Masken. Die Lüftung des Pseudonyms muß als ein solches Ve­xier­spiel ernst ge­nom­men wer­den; es hat ein Jahr­hun­dert ge­dau­ert, bis die sich anbietende erste De­mas­kie­rung, die Iden­ti­fi­zie­rung von »Bo­naventura« mit dem pro­mi­nen­ten Trä­ger dieses Pseudonyms (Schel­ling) un­halt­bar schien. »Nichts« als das in­tel­lek­tu­el­le Ergebnis der ›Nacht­wa­chen‹, so sehr auch im Af­front ge­gen die herr­schen­den An­sich­ten, In­sti­tu­ti­o­nen und Disziplinen formuliert, war nicht nur nicht nen­nens­wert, es ent­glitt ein­fach der Auf­fas­sungs­wei­se der Zeit. Die Problemlage: daß Reflexion ein »Selbst« nicht al­ler­erst kon­sti­tu­iert, son­dern auf­löst, ist für den philosophischen Idealismus unzumutbar ge­we­sen. Re­zi­piert wurden die ›Nacht­wa­chen‹ erst in den 60-er Jahren des folgenden Jahrhunderts. Es kann heu­te so aus­se­hen, daß sie in nu­ce ei­ne The­o­rie der so­zi­a­len Rol­le dar­stel­len und den verkappten Ni­hi­lis­mus die­ser So­zi­o­lo­gie; doch war­um wurde das Buch nicht auf­ge­nom­men in die Mo­den des Fin de siècle oder spä­te­stens des Ex­isten­ti­a­lis­mus? Die ge­halt­li­che Af­fi­ni­tät war nicht recht an­sprech­bar ohne Ein­sicht in die Er­zähl­struk­tur; da­zu aber war die ger­ma­ni­sti­sche For­schung, wie aus den De­bat­ten um den Urheber her­vor­geht, nicht im­stan­de. Und so mag ei­ne sich auf­lö­sen­de Dis­zi­plin das ih­rem Selbstverständnis zeit­ge­mä­ße Ob­jekt er­ar­bei­tet haben.


Angesichts der Fehlschläge bei der Verfasserdebatte, die als solche nicht einmal zu belegen sind, wäre es schon folgerich­tig, das Buch einem jeden der vermuteten Autoren zuzuschreiben; Schelling, Wetzel, Bren­ta­no, Karoline und Jean Paul als Modelle für dies Produkt, das selber nichts weiter als ein Narrenkleid sein will. Was noch kei­ner der For­scher ge­wagt hat, von den Nacht­wa­chenher das Werk seines Favoriten neu zu er­fah­ren, wür­de so sy­ste­ma­tisch das vermeintlich Unverkennbare der Li­te­ra­ten fremd machen - ein bös­ar­ti­ger Im­puls wä­re den Wer­ken ein­ge­ge­ben, der, jedes zu einem anderen Zeitpunkt an­tref­fend, lauter Un­ge­nutz­tes, Un­ter­drück­tes und Ver­stell­tes an den le­gitimierten Veröffentlichungen entblößen müßte. Al­ler­dings, mit die­sem Ver­fah­ren schon wür­den die »Nacht­wa­chendas letz­te Wort haben ge­gen die An­nah­me ei­nes mit sich und aus-


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