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GOETHES LETZTES JAHRZEHNT. GESPRÄCHSPARTNER

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Bildquelle: www.stadtmuseum.de/pressebilder/lili-parthey-im-gruenen-kleid


9.1828 H. Koe­nig mehr Be­ob­ach­ter blei­ben kann als sel­ber ins Ge­spräch verwickelt zu wer­den, ge­lin­gen Auf­zeich­nun­gen, die beson­ders für Goe­thes kom­ple­xe Argumentation und für atmosphärische Bei­läu­fig­kei­ten sei­ner Ge­sprächs­füh­rung of­fen blei­ben.

   Die eigenwilligsten und dabei doch getreuesten und de­tailfreudigsten Aufzeichnungen solcher Grup­pen­ge­sprä­che stammen von zwei Frauen, von Luise v. Löw und Lili Parthey. Die 27jährige Luise v. Löw hält ih­ren Dorn­bur­ger Be­such vom 2.8.1828 wie im Gedächtnisprotokoll fest. Nur so, unausgearbeitet noch und mit ab­rup­ten Über­gän­gen, oh­ne Rück­sicht auf das Verständnis eines Lesers, konnte wohl der auch von ei­nem ih­rer Be­glei­ter be­merk­te über­rei­che Themenkreis mitsamt den vielen kleinen Anspielungen, Ab­schwei­fun­gen, Kom­pli­men­ten und scherz­haften At­tacken Goethes sowie dem ständigen Hineinspielen der Dorn­bur­ger Um­ge­bung ins Ge­spräch hin­über aufs Pa­pier gerettet werden. So konzentriert muß sie bei der Nie­der­schrift ge­we­sen sein, nach­hor­chend und -schrei­bend, daß ihr dabei gewisse For­mu­lie­rungs­fein­hei­ten Goe­thes erst ei­gent­lich zum Bewußtsein kamen (»vier Adjektive«, notiert sie wie er­staunt).

    Der Marienbader Tagebuchbericht der 23jährigen Zelter-Schülerin Lili Parthey hat nichts Verknapptes, er strömt über vor »Ekstase« und »Seligkeit« nach der langersehnten Be­gegnung vom 23.7.1823, über die sie ei­ne hal­be Nacht nach­ge­dacht ha­be, um sie dann ge­gen die alles »verwi­schende« Zeit festzuhalten. Wie uns Goe­the in ih­ren Auf­zeich­nun­gen, die ne­ben­bei viel vom böh­mischen Badeleben offenbaren, ent­ge­gen­tritt, char­mant, schlag­fer­tig, mit Seiten­blicken, indirekten Antworten und seinem eingeschobenen »Ach ja!«, wie er dann mit lie­bens­wür­di­gen klei­nen Be­leh­run­gen auf ihre leicht vorwitzigen, aber tapfer-pro­vo­kant durch­ge­hal­te­nen Be­mer­kun­gen eingeht, all das zeigt uns auch, daß er auf sie den Eindruck ge­macht hat, um den er sich bei der et­was phleg­ma­ti­schen Ul­ri­ke v. Le­vet­zow vergeblich bemüht hatte. »Der Kul­mi­na­ti­ons­punkt mei­ner Ex­istenz ist vor­über«, schreibt sie zu Be­ginn und bekräftigt am Ende noch einmal ihr Mo­tiv: »die Zeit verlöscht mehr, als wir den­ken und möchten!« Lili Parthey starb schon wenige Jah­re spä­ter.


Solch monomanische und um einen Leser unbekümmerte Aufzeichnungen finden wir sonst nur spärlich, ver­streut in Briefberichten an Vertraute oder auch in Tagebuchaufzeich­nungen wie denen S. Boisserées, der im Mai 1826 durch sei­nen des­pek­tier­li­chen Blick im­po­niert und auch schranzenhafte Erscheinungen in Goe­thes Um­ge­bung beim Na­men nennt. Vie­le Ge­sprä­che wurden aber erst Jahrzehnte später auf­ge­zeich­net, ge­trübt durch al­ler­lei Rück­sicht­nah­men, Selbst­inszenierungen und Erinnerungsschwächen. Wo­bei je­doch we­ni­ger der Zei­ten­ab­stand über Qua­li­tät und Au­then­ti­zi­tät der Auf­zeich­nun­gen entscheidet, als viel­mehr Blick und Per­sön­lich­keit des Be­richt­er­stat­ters. Einem Friedrich Förster ist sogar das jeden Kom­men­ta­tor zur Ver­zweif­lung brin­gen­de Wirr­warr sei­ner Sach- und Zeitanga­ben nachzusehen.

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Elisabeth (›Lili‹) Parthey (1800-1829)
Ölgemälde von Wilhelm Schadow (um 1825)
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