DAS LETZTE JAHRZEHNT. GOETHE ALS ›HYPSISTARIER‹. MERLINS ABSCHIED
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Bildquelle: Bd. 38 der Frankfurter Goethe-Ausgabe, hg. v. Horst Fleig, a.a.O. (s. Anm. S. 1), Frontispiz
Ein
solch entrücktes und doch konzentriertes Leben
hat
Goethe schon nach dem Tod seines Freundes Carl August während
seines Dornburger Aufenthalts 1828 geführt.
In seiner Trauer und arbeitsamen Isolation bezeichnet er sich
dort als den Eremiten zu Dornburg, die
Dornburg als »meinen Montserrat«
und seinen Brief an Beulwitz über die Unsterblichkeit
der vernünftigen Welt als »Monolog des
wunderlich nachsinnenden Einsiedlers«. So hat ihn auch Berta
Weber, die Frau des Dornburger Amtsaktuars in
Erinnerung behalten, die damals das Alte Schloß bewohnte
und auf die Gärten hinunterblicken konnte,
»wo der ernsthafte traurige Mann hin- und herging, und seine
Verlassenheit machte mir Wehmut. Oft blieb
Goethe stehen, bewegte die Arme und sprach laut mit sich selbst
< ...>
Es waren die Sträucher und Blumen, die er oft
betrachtete«. Hier trifft sie ihn einmal auf einer
zurückgezogenen Bank sitzend an. »Ich
bin ein Einsiedler«, stellt er sich ihr vor; der
gemeinsame Spaziergang führt sie zu
einer von Carl August angepflanzten
Bignonia. »Goethe
blieb stehen, faßte einen Blütenstengel
und sagte leise: ›Wir wollen der Erinnerung
unseres Freundes aus dem Wege gehen - in jeder
Blume tritt sie uns entgegen.‹ Die letzten Worte
hauchte er nur, ich wagte nicht hinzusehen <
...>«.
Nach
Friedrich v. Müller hat
sich übrigens Goethe in Dornburg zum erstenmal mit Merlin
identifiziert,
am 29.4.1818 nach einem Gespräch über die so zähe
metaphysische Sehnsucht des Menschen: »›Laßt mich, Kinder,‹
sprach er plötzlich, ›einsam zu meinen Steinen
dort
unten eilen, denn nach solchem Gespräch geziemt dem alten
Merlin, sich mit den Urelementen wieder zu
befreunden.‹ Wir
sahen ihm lange und frohbewegt nach, als er, in
seinen lichtgrauen Mantel gehüllt,
feierlich ins Tal hinabstieg, bald bei diesem, bald bei jenem
Mineral oder Pflanze verweilend.«
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Textversion von Oktober 2014 Horst Fleig