den
herkömmlichen Modellen der
Traditionsbildung zur dringlichsten Forderung.
Indem aber das Verschwinden jener Gewaltformen,
gegen die Fontane sich in verschlüsselter Sprache
gewandt hatte, sein Erzählen in unserer Zeit
überhaupt erst vernehmlich werden ließ, sind
diese Texte auch in Widerspruch mit sich selber
gekommen: Was sie in sich verkapselten als
den ihrer Gegenwart unzugänglichen
Zeithorizont, hat sich streckenweise wie von
selbst erledigt. Soweit jedenfalls, wie sie
resigniert und vor ihrer Zeit kapituliert
hatten, kommen diese kryptischen Zeitdiagnosen
selber zeitbefangen zum Vorschein.
Vermochte der Knabe Theodor einst stundenlang in seinem Versteck zu
verharren, so hielt also der Romancier den Druck,
unter dem diese gegenzeitigen Textdimensionen entstanden sind, über
Jahrzehnte hinweg aus und baute sie zu einer
regelrechten Tiefentektonik aus. Der Vorwurf, er könnte
sich darin eingegraben und für jedes geschichtliche
Gespür abgetötet haben, wäre Fontane jedoch als letztem
zu machen. Wie aufmerksam er das vorherrschende
Geschichtsgefühl registriert, zeigt sich
gerade auch in kryptischer Lesart in seiner sehr
eigentümlichen Manier, die Konflikte der
Zeitromane in historischen oder
mythologischen Einkleidungen vorzutragen, in Bildern und
szenischen Abfolgen, wie sie den Zeitgenossen
als legitimer oder auch unverbindlich schmückender Bildungsbesitz
wohl vorschweben mochten. Dabei verwendet Fontane
eben die Anachronismen und reaktionären
Selbststilisierungen, welche seine
Charaktere meist selber im Munde führen und
legt sie den Etappen ihrer Katastrophe
ironisch zugrunde: Schach und Victoire exerzieren
Stationen des Luther-Dramas nach, aus dem
sie zusammen eine Liedstrophe vorgetragen hatten; in
den christlich sich absichernden jüdischen
Finanzierskreisen von L'Adultera wird der
Ehebruch vor allem durch eine Reihe von Szenen
aus dem Alten und Neuen Testament wie der Simson-Fabel
vorbereitet, Holk in Unwiederbringlich
muß seine Ehe nach und nach dem verschlüsselt erzählten
Poseidon-Kultus zum Opfer bringen, Cécile wird für
den allzu weltläufig sich dünkenden
Techniker Gordon zur tödlich verkannten Sphinx, und die
Abkömmlinge einstiger Größe
erscheinen vampyrhaft oder in Spottgestalt bei
denen wieder, die wie die Petöfys, Briests und
Poggenpuhls eine noch substantielle
Familientradition hinter sich
glaubten.
In der kryptischen
Erzähldimension der Ehebruchsromane zeichnet sich darüber
hinaus für den Untergang und Tod der Hauptcharaktere
eine tiefgründigere Argumentation ab. Indem Ehebruch und
gewalttätige Beilegung strikt und
detailbesessen zurückgeführt werden auf die
Fundamente dieser
Gesellschaft, widerspricht der Erzähler der
Auffassung, der Tod sei ein individuelles
Schicksal. Er interpretiert ihn vielmehr als einen
zeittypisch-bornierten Prozeß und im Grunde als
Selbstmord einer historischen Lebensgestalt.
Nun hat Fontane in der
"manifesten" Erzählversion der Zeitromane seines letzten
Jahrzehnts den Immobilismus und Verfall des
preußischen Feudalismus auch in dessen ökonomischen Grundlagen
immer dramatischer dargestellt. Etwas
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