»NACHT« UND MIMETISCHES GENIE. MIMESIS UND SELBSTVERLUST
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kunft des Erzählers
Kreuzgang zu Beginn der 16. Nachtwache, er könne statt
eines farbigen Schlußstücks à la Hogarth »nichts als Schatten und
luftige Nebelbilder vor dem Glase meiner
magischen Laterne hinfliehen lassen«.68
Die
mit seiner nicht gewöhnlichen mimetischen Begabung verbundene
Gefährdung hat Klingemann früh gesehen. Auch sein
Braunschweiger Biograph Hugo Burath spürte dies, als er die
folgende
Klage Romanos kommentierte:
>Es
ist sehr traurig und macht mir viele düstere Stunden, daß sich so
gar nichts vollenden will, und
daß
alles nur in mir anfängt und mich auf allen Seiten berührt, ohne
sich im Innersten zu lösen ... Es
bildet
sich nichts aus, und ich habe zuletzt nur Bruchstücke aus einem
Künstlerleben gelebt, die nichts
als
Ahnungen enthielten ... Auch zum Zuschauer tauge ich nicht, und es
ist mein Unglück, daß ich zu
früh
mit auf die Bühne springe und an dem inneren Spiele Anteil nehme.
Der echte Künstler ist doch
immer
ein ruhiger Zuschauer, der mit klarem unbefangenem Auge über dem
Ganzen wacht und nie-
mals
strebt, es leidenschaftlich zu wiederholen.<69
Burath:
»Deutlich wird hier schon erkennbar die schicksalhafte Begrenzung
von Klingemanns angeborener Begabung:
der Drang des Dramatikers, es nicht beim genießenden Zuschauen
bewenden zu lassen, sondern auf die Bühne
zu springen und mit anzupacken. Deutlich aber auch die frühe
Einsicht in die heillose
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Klingemann verstand einiges von Schattenbildern, in den Jahren um
1800 pflegte er zusammen mit seinem musikalischen
Freund Bornhardt Schattenspiel-Vorstellungen zu geben. Vielleicht
machten die beiden dabei auch von der Laterna magica
Gebrauch: Wir finden sie nicht erst in den
1809 von Justinus Kerner begonnenen
Reiseschatten von dem
Schattenspieler Luchs,
wo „die Bilder seiner Reisen und Erlebnisse am Leser
vorübergleiten, wie die Schatten der Laterna
magica auf der weißen Wand am Zuschauer
vorüberziehen" (Josef Gaismaier, Biogr.
Einl. in: Justinus Kerners
sämtliche poetische Werke in vier
Bänden, Bd. 1 <Leipzig
o.J.>, S. 33). Vielmehr arbeitet schon der italienische
Schattenspielmann in Goethes Jahrmarktsfest
zu Plundersweilern
(1774) mit einer Laterna magica und projiziert
kurbelnd die Bilder seiner Schöpfungsgeschichte
auf den Schirm.
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August Klingemann, Romano
(a.a.O.), Bd. 1, S. 221f.
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