RÜCK- UND AUSBLICK-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Die
spezifisch menschlichen Eigenschaften wurden spirituell oft so hoch
angesetzt und als Differenz so übertrieben abgesetzt, dass noch im
20. Jahrhundert biologisch instruierte Schichtenmodelle wie das von
Max Scheler die „unteren” animalischen Schichten des
Menschen und so die Manipulierbarkeit seiner biologischen
Grundausstattung leicht aus dem Blick verlieren konnten.
Wie Picos Conclusiones
wurden auch
die Essais
von Montaigne zuletzt
noch – postum – indiziert.
Glaubensüberzeugungen waren für diesen skeptischen
Denker der Spätrenaissance Konventionen und in der Regel abhängig
von der zufälligen Herkunft des einzelnen („Christen
sind wir im gleichen Sinne, wie wir Périgorden oder Deutsche
sind.”).8
Nicht einmal als Garanten ethischer
Werte wie der Gerechtigkeit lässt er die Religion gelten, das
persönliche Gewissen allein ist ihm hier letzte Instanz.
Ebenso ist das, was allen Menschen gemein sein könnte, nicht einem
überlieferten Menschenbild zu entnehmen, sondern
allein durch das gewissenhaft sich selbst erforschende Individuum zu
entdecken, auch wenn es sich zuletzt angesichts der Vielfalt
menschlicher Lebensmöglichkeiten zur Toleranz zu bekennen hat. Die
beliebte These von der Gottesebenbildlichkeit
des Menschen lehnt Montaigne als
Anmaßung ab und erkennt darin ebenso wie in dem menschlichen
Klagetopos, das schutzloseste aller Lebewesen zu sein, eine
intendierte Herabsetzung des Tieres,
das sich dadurch um so skrupelloser ausbeuten lasse. Während
Descartes im 5. Kapitel
seines Discours
sur la méthode ... 1637)
das Tier zum vernunftlosen und nahezu empfindungslosen Wesen erklärt
und wiederholt mit einem seelenlosen Automaten oder Uhrwerk
vergleicht,
billigt Montaigne ihm sogar höhere Fähigkeiten wie die
zur Verständigung, Sympathie und rudimentäre
Formen der Dankbarkeit und Reue zu. Vom Menschen fordert er
dementsprechend Mitgefühl und warnt vor einer Verabsolutierung der
Differenz ebenso wie vor einer Verdinglichung des Tieres, die auf den
Menschen zurückschlagen könnte.
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8
Michel
de Montaigne, Essais,
in 3 Bänden hg. und übersetzt von Hans Stilett
<= Hans Adolf Stiehl> (Frankfurt/Main 2002); II 12 (=
2. Buch, Nr. 12), S. 176
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