RÜCK- UND AUSBLICK
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Für
den aufgeklärten Theologen Herder
ist
die Gottesebenbildlichkeit keine Gegebenheit mehr, sondern – wie
schon bei einigen Humanisten – eine Aufgabe des Menschen, der sich
zur Humanität erst auszubilden hat. Diese selbst hängt von keiner
außermenschlichen Instanz ab, sondern trägt sich allein in der
Geschichte zu; wer ein
Jenseits als Ziel
dieser Entwicklung setze, betrüge
den Menschen
um
seine irdische Existenz,
die er selbständig und „ohne Wunder der Gottheit” zu
meistern habe.9
Als
„der erste Freigelassene der Schöpfung”10
weiß
er seine Freiheit dank der nur ihm eigenen Besonnenheit und der ihm
in kollektiver Vernunft zuarbeitenden Sprache zu erhalten, kann sie
aber auch missbrauchen. Dieser aufrecht gehende „Gott der Tiere”
ist weithin selber Tier, und zwar in anatomischer Hinsicht ein
„Mittelgeschöpf
unter
den Tieren der Erde, d.i. die ausgearbeitete Form ... in der sich die
Züge aller Gattungen um ihn her im feinsten Inbegriff sammeln”.11
Dies
allerdings, ohne dass er deren jeweilige
Spezialisierung auf eine bestimmte, von Geburt an zugewiesene
natürliche „Sphäre” zu teilen hätte, besteht doch genau in
dieser umweltentbundenen Nichtspezialisiertheit seine Offenheit für
die Welt.
Hinsichtlich
der Entwicklungsgrenzen des Menschen scheint sich Herder nicht
schlüssig zu werden.
Unablässig appelliert er an die progressive Ausbildung des Menschen,
an die Notwendigkeit von
Metamorphosen sowohl im Lebenslauf des Individuums wie im Gang des
Menschengeschlechts überhaupt,12
bekennt
sich gleichwohl gelegentlich zu dem alten Topos, dass
sich der Mensch in seiner Wesensnatur immer gleich bleibe
und
in seinen Leidenschaften erneut den „Gang seiner Torheit”
durchlaufen müsse.13
Gerade
diese „Menschennatur” freilich mit ihren „guten und bösen
Triebfedern” treibt für ihn den progressus weiter: „Neugierde
und die unersättliche Begierde nach Gewinn, nach Ruhm, nach
Entdeckungen und größerer Stärke” würden den einzelnen
immerfort beflügeln und dem sozialen Kollektiv den Horizont
beständig erweitern,
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9
Johann Gottfried Herder, Ideen
zur Philosophie der Geschichte der Menschheit.
Mit einem Vorwort von Gerhart Schmidt
(Wiesbaden o.J. <1966>), S.397 und 415. Vgl. Briefe
zur Beförderung der Humanität,
hg. v. Hans Dietrich Irmscher (Bd. 7 der Frankfurter
Herder-Ausgabe, Frankfurt/Main 1991), S. 129
10
Ideen,
a.a.O. S. 119 11
a.a.O., S. 76 12
a.a.O., S. 178 13
a.a.O., S. 396
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