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RUTH FLEIGS GALERIE
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Bilderbuch Rob. Rabe
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HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
A ZUR ANTHROPOLOGIE
Sloterdijk-Habermas
Pico della Mirandola
Michel de Montaigne
J. G. Herder
Max Scheler
Helmuth Plessner
Rück- und Ausblick
B ERINNERUNGSBILDUNG
Schock der Rückkehr
Erinnerungsautomatik
Wuchernde Phantasie
Seel. Raumpositionen
Sprache und Erinnern
Besuch als Korrektiv
Identitätsfragen
Steuernde Phantasie
Über das Vergessen
Biogr. Stimmigkeit
Proust. Doppelgänger
Selbsterweiterungen
II  Reiseberichte
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI GERMANISTICA
ERINNERUNGSSTEUERNDE  PHANTASIE

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und ihr Treiben ohne Beschönigung zur Sprache kommen sollte. Dergleichen „mit dem Mantel der Nächstenliebe” zuzudecken suchen mögen weiterhin diejenigen, die umso geübter im Wegsehen oder im Terror stummer Gewaltanwendung sind und denen mein spezielle Verachtung schon als Kind galt. Unversöhnt zu bleiben habe ich deshalb auch mit den geisttötenden Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten und ihren Vertretern (es gibt freilich hier wie auch etwa unter den Göttern liebenswerte Ausnahmen wie Pallas oder Hermes, die ein subversives Potential behielten). Unversöhnbar jedenfalls mit denen, die an der charakteristischen Mischung aus Gedanken- und Lieblosigkeit zu erkennen sind; mit diesen Bescheidwissern, Schnellentscheidern und all denen, die sich mit ihren kleinen Tricks glauben „durchgesetzt” zu haben, nur weil man sie erst einmal lässt oder meiden muss; mit diesen lauten Stim­men, die von sich und ihrer Sache immerzu überzeugt zu sein vorgeben, ebenso wie mit ihren ergebenen oder nur zunickenden Helfern. Und nicht zu versöhnen schließlich mit den eigenen doktrinären Impulsen.


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Ich komme zurück auf die PHANTASIE und ihre gewiss nicht nur von mir gewaltig unterschätzte Rolle, die sie sowohl bei der Einschätzung von jemandes Persönlichkeit spielt als auch für den ganzen Komplex der eigenen Erinnerungsbildung und Identität. Erinnerung, wie hier beschrieben, ist immer über die bloß akkumulierenden oder konservierenden Modelle sei es eines Ge­dächt­nis- oder eines Zeitspeichers hinaus. Zu sehen war, wie erfinderisch und konsequent das Kind selber schon, bei aller Ab­hän­gig­keit, an der Erinnerungsbildung mitwirkte. Intuitiv, reflexiv und in der Phantasie strukturierte es immer bestimmter seine Ein­drü­cke und Reminiszenzen oder spielte sie assoziativ einander zu; und machte neben den idealisierten Figuren aus Literatur und Film auch die bewunderten Kameraden zu seinen Schutzgeistern, indem es sie erhöhte und nach seinen Bedürfnissen gestaltete. Weshalb ihre Identität, nach der ich vorhin fragte, immer auch idolhaft ist, im Innersten ungreifbar, wie sakrosankt und nicht zu ve­ri­fi­zie­ren. Gewiss beruhte meine Wertschätzung durchweg auf Verhalten und Eigenart der Person selbst, stattete sie jedoch mit ei­nem inkalkulablen Überschuss an Erwartungen und liebenswürdigen Eigenschaften aus. Eine Projektion, bei der meine Phantasie einen so ungewöhnlich großen Spielraum hatte, weil ich mich für so viele schweigsame, weithin unbestimmbare Personen in­ter­es­sier­te und ich selber primär die schweigende, so manches in der Schwebe haltende Verständigung mit ihnen suchte. Und dies muss ich noch jüngst, als der Zurückkommende, gespürt haben, hätte ich doch sonst nicht gerade die nicht wieder aufgesucht, die ich einst besonders mochte, vor allem einige Mädchen. Eine Scheu also vor dem Wiedersehen, da ich die gleichsam phan­tom­haf­ten Dimensionen dieser Persönlichkeiten ahnte, respektierte und mir zu erhalten suchte.


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