Quellen: https://de.wikipedia.org/wiki/Kathedrale_von_Monreale#/media/File:Monreale_Cathedral_exterior_BW_2012-10-09_10-23-10.jpg http://img2.tgcom24.mediaset.it/binary/fotogallery/ufficio-stampa/19.$plit/C_2_fotogallery_3005907_6_image.jpg
http://static.panoramio.com/photos/original/10193902.jpg
Vom
Monte Pellegrino her fahren wir im Mietwagen zu der 15 km entfernten
Stadt Bagheria, finden aber die dortige Villa Pallagonia für heute
geschlossen vor. So wollen wir morgen auf der Weiterfahrt nach
Messina hier noch einmal vorbeikommen und kehren
zurück nach Monreale,
um den vorgestern schon geschlossenen Normannendom
zu besichtigen. Obgleich auch er in seiner Überfülle an
leuchtenden Wandmosaiken byzantinischer
Herkunft und arabisch geometrischer Ornamentik
sich wie nach einer Volltätowierung ausnimmt, gefällt er uns weit
besser als die
Cappella Palatina des
Normannenpalastes und die Kathedrale
von Palermo. Das Äußere freilich kann befremden, nicht
so sehr wegen der Asymmetrie durch den einen unvollendeten
Hauptturm, als vielmehr durch den klassizistischen Portikus, der im
18. Jh. vor das alte mit biblischen Szenen reich geschmückte
Bronzeportal gesetzt wurde.
Die
Faszination des Dominnern verdankt sich nicht zuletzt der gewissen
Naivität ihrer biblischen Wandszenerien,
die als Goldgrundmosaike in mehreren übereinander liegenden
Erzählreihen aufgetragen sind. Wie oben zu sehen, sind es Szenen
aus der Schöpfungsgeschichte, darunter aus dem Leben der biblischen
Stammväter und -mütter und zuunterst vornehmlich Episoden aus der
Christuslegende. Das goldschimmernde Deckengebälk
erinnert uns ein andermal von fern her an die bemalten
Holzbalkendecken der (Wehr-)Kirchen in der
Normandie und Bretagne.
Erbauen
ließ diese Bischofskirche in den 1170er Jahren der
letzte normannische König Wilhelm II.
(Guillaume II aus dem Hause Hauteville), der auch die heute morgen
von uns besuchte Sommerresidenz ,La
Zisa’ fertigstellen
ließ. Hinter der Gründung des Doms und Klosters stand ein
machtpolitischer Kalkül: Palermos Erzbischof Gualterius Palermitanus
(Walter von Palermo)
hatte sich als hartnäckiger Interessenvertreter des Feudaladels
gegen das Königtum hervorgetan und wurde nun dadurch
weithin entmachtet, dass zugleich mit dieser Neugründung ein mit
größeren Privilegien und Befugnissen versehener Erzbischof für das
benachbarte Monreale berufen wurde.
Der
königliche Machtanspruch zeigt sich auch in Details des Dominnern.
In der Hauptapsis thront Christus mit geöffnetem Buch wie in der
Cappella Palatina als Pantokrator
und erscheint so erneut in der
byzantinisch-christlichen Tradition der
Herrscherlegitimation. Der Königsthron ist höher als der ihm
gegenüber postierte Bischofssitz und wie Salomons Thron mit zwei
Löwen an den Seitenlehnen verziert; ein Mosaik über dem Thron zeigt
zwei weitere Löwen, die den paradiesischen Lebensbaum zu bewachen scheinen. Oberhalb der
beiden Löwenwächter ist gar in einem Mosaik die Krönung Wilhelms
II. durch Christus selbst zu sehen. – Wilhelms staufischer
Nachfolger Friedrich II. sollte diesen Machtkampf gegen den
sizilianischen Feudaladel und notfalls gegen den Primat
der römischen Kirche fortführen, den schon sein normannischer Großvater Roger II. zu bestehen hatte.
Im
südlichen Querschiff befinden sich der Porphyrsarkophag Wilhelms I.
und der Renaissance-Marmorsarkophag Wilhelms II. Im
nördlichen Querschiff stoße ich in einer der kleineren
Kapellen auf Sarkophag und Ölbild des 1270 bei Karthago
mit seinem Heer an einer endemischen Ruhr-
oder Typhusinfektion verstorbenen Kreuzzugfahrers
Ludwig IX. von Frankreich – des von mir in einem
,Goethe-Wörterbuch’-Artikel erwähnten
,Heiligen’, der voller Inbrunst Verbrennungen
des Talmud sowie die ersten systematischen
Verfolgungen von Juden in Europa betrieben hatte. Der
Sarkophag ist leer, Fragmente der Gebeine wurden immer
wieder anderen Kirchen und Würdenträgern
gestiftet, Eingeweide und ein Schädelstück
durfte 1985 von Tunis in die Kathedrale von
Saint-Denis transferiert werden, während der Verbleib des
Herzens umstritten ist (Saint-Denis, Sainte-Chapelle oder
auch Monreale).
Herrlich
der Kreuzgang des ehemaligen Benediktinerklosters
nebenan! An jeder der vier Seiten umfassen ihn 26 Arkadenbögen,
getragen von 104 marmornen Doppelsäulen und – an
den Eckpunkten – 5 schlankere Vierfachsäulen. Alle Säulen sind komplett erhalten und wurden schon bei der Erbauung
relativ erdbebensicher auf
Bleiplatten postiert. Es sind Unikate, denn auch die
glatten Säulenschäfte jedes zweiten Säulenpaars schließen mit
jeweils einzigartig verzierten Kapitellen ab. Die
skulptierten Säulen sind mit allen erdenklichen ornamentalen Mustern
geschmückt, darunter Sternmotive, Rautenmuster, ,der Gebrochene
Stab’ und Zickzack-Bandmuster sowie geometrische
oder florale Mosaikeinlagen. Die durchweg mit Akanthusblättern
geschmückten
Kapitelle
zeigen Bibelszenen, historische Momente wie die Krönungen der
Normannenherrscher und ihre Stiftung des Klosters, ferner Jagd- und
Kampfesszenen, auch akrobatische Vorführungen sowie
mythologische Fabelwesen wie Harpyien und Tritonen.
Die Oberfläche der meisten Marmorkapitelle hat im Laufe der
Jahrhunderte einen sandsteinfarbenen Überzug erhalten.
Ein
kleines Zauberwerk ist der ebenfalls quadratische
Brunnenhof in der südwestlichen Ecke des
Kreuzgangs. Eine Vierfachsäule dieses kleinen Kreuzgangs
(,Chiostrino’) hat ein umlaufendes Kapitell, das den Zyklus der
Monate anhand charakteristischer
(bäuerlicher) Aktivitäten wie Aussaat, Ernte und Böttcherarbeit
darstellt. Die aus einer runden Brunnenschale aufsteigende und wie
manche Palmenart zickzackweise kannelierte Zentralsäule schließt
mit einem knospenartigen Knauf aus Menschen,
die aus ihren Mündern das Brunnenwasser
wieder hinabrieseln lassen. Eine eigensinnige Stilisierung des
Lebensbaumes durch einen der Bildhauer?
Überhaupt
liegt ein besonderer Reiz der keineswegs immer kunstfertigen
Bilddarstellungen wie bei vielen der Wandmosaike des Normannendoms in
einer anrührend-naiven oder auch frommen Hingabe ans Detail.
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