Quellen: https://it.wikipedia.org/wiki/Santuario_di_Santa_Rosalia#/media/File:Santuario_Santa_Rosalia_(Palermo).JPG www.wishsicily.com/img_slider/67_palermo-santa_rosalia.jpg http://dioezesanmuseum-paderborn.de/tag/ballerina/
Nach dem Besuch von ,La Zisa’ kommen wir auf dem Weg zum Monte Pellegrino bald an der ,Via Goethe’ vorbei, halten spontan und machen einen Spaziergang. Die Straße ist nur gut 100 Meter lang, wird jedoch überwiegend von vier- bis fünfgeschossigen klassizistischen Gebäuden mit Außenbalkonen und von schattenspendenden Bäumen gesäumt. Zwar ist das eine oder andere Gebäude restaurierungsbedürftig und sind einige der ungefähr 30 Geschäfte und Büros geschlossen, doch wirkt dieser Straßenzug wie das umliegende Viertel erfreulich vital.
Goethe selber wohnte im April 1787 in unmittelbarer Nähe des alten arabischen Hafens ,La Cala’, kaum einen Kilometer vom botanischen Garten ,Villa Giulia’ entfernt.
Trotz gewisser Bedenken fahren wir dann die knapp 460 Meter hoch zur Rosaliengrotte auf dem Monte Pellegrino. Statt des erwarteten Pilgerstroms haben sich oben vielleicht noch zehn Besucher bei dem großen Gebäudekomplex eingefunden. In der barocken Wallfahrtskapelle dann leider das erwartete Sammelsurium, diesmal bei bunter Tropfsteinhöhlen-Beleuchtung, dominiert vom marianischen Blau in Altarnähe. Und auch die von Goethe beschriebenen lieblichen Empfindungen angesichts der Marmorskulptur der daliegenden Rosalia wollen sich bei mir so gar nicht einstellen. Doch vergleiche man Abbildung und Goethes Bericht vom 6. April 1787:
„In einer Höhle dieses Berges entdeckte man zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die Gebeine der Heiligen und brachte sie nach Palermo. Ihre Gegenwart befreite die Stadt von der Pest, und Rosalie war seit diesem Augenblicke die Schutzheilige des Volks ... vielleicht hat die ganze Christenheit, welche nun achtzehnhundert Jahre ihren Besitz, ihre Pracht, ihre feierlichen Lustbarkeiten auf das Elend ihrer ersten Stifter und eifrigsten Bekenner gründet, keinen heiligen Ort aufzuweisen, der auf eine so unschuldige und gefühlvolle Art verziert und verehrt wäre.
... Ich sah durch die Öffnungen eines großen, aus Messing getriebenen Laubwerks Lampen unter dem Altar hervorschimmern, kniete ganz nahe davor hin und blickte durch die Öffnungen. Es war inwendig noch ein Gitterwerk von feinem geflochtenem Messingdraht vorgezogen, so daß man nur wie durch einen Flor den Gegenstand dahinter unterscheiden konnte.
Ein schönes Frauenzimmer erblickt' ich bei dem Schein einiger stillen Lampen.
Sie lag wie in einer Art von Entzückung, die Augen halb geschlossen, den Kopf nachlässig auf die rechte Hand gelegt, die mit vielen Ringen geschmückt war. Ich konnte das Bild nicht genug betrachten; es schien mir ganz besondere Reize zu haben. Ihr Gewand ist aus einem vergoldeten Blech getrieben, welches einen reich von Gold gewirkten Stoff gar gut nachahmt. Kopf und Hände, von weißem Marmor, sind, ich darf nicht sagen in einem hohen Stil, aber doch so natürlich und gefällig gearbeitet, daß man glaubt, sie müßte Atem holen und sich bewegen.
Ein kleiner Engel steht neben ihr und scheint ihr mit einem Lilienstengel Kühlung zuzuwehen. ...
Es war eine ... große Reinlichkeit in einer wilden Höhle; der Flitterputz des katholischen, besonders sizilianischen Gottesdienstes, hier noch zunächst seiner natürlichen Einfalt; die Illusion, welche die Gestalt der schönen Schläferin hervorbrächte, auch einem geübten Auge noch reizend – genug, ich konnte mich nur mit Schwierigkeit von diesem Orte losreißen und kam erst in später Nacht wieder in Palermo an.”
Eine Liebeserklärung! Als selbsterzeugte „Illusion” wäre sie durchaus noch „im ideell-pygmalionischen Sinne” zu verstehen, mit dem Goethe ein Jahr später in Rom seinen Ankaufswunsch der Marmorstatue einer Tänzerin oder Nymphe begründete. Hat ihn diese später so genannte ,Ballerina di Goethe’ jene Rosalia-Skulptur wieder so heftig in Erinnerung gerufen?
Jene Schläferin in der Grotte ist für den heutigen Besucher nur im Elektrolicht zu betrachten, ohne verklärenden „Flor” und Lampenschein. Und überhaupt war die Grotte damaligen Grafiken zufolge noch so bescheiden ausgestattet und intakt, wie von Goethe beschrieben. Erst etliche Jahre nach seinem Besuch scheint die Skulptur der Liegenden auch zudringlichere Verehrer angelockt zu haben. Johann Gottfried Seume geht in seinem ,Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802’ auf die damalige Unsitte vor allem fremdländischer Besucher ein, die Rosalia-Skulptur mit ihren Namen zu versehen:
„Alles war voll, und Stirne und Wange und Busen des heiligen Rosalienmädchens waren beschrieben; es blieb mir also nichts übrig, als ihr meinen Namen auf die Nasenspitze zu setzen. Vielleicht dachte jeder durch Aufsetzung seines Namens, das Gemälde zu verbessern; die Nasenspitze ist wenigstens durch den meinigen nicht verdorben worden”.
Eine Gedenktafel in italienischer und deutscher Sprache erinnert in der Grotte an Goethes Besuch, direkt über einer Plakette zu Italiens Sieg im 1. Weltkrieg.
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