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VI GERMANISTICA

Nach der Seeschlacht von Navarino/Pylos: Vizeadmiral Henri de Rigny sucht den
geschlagenen Ibrahim Pascha auf (Stahlstich von Ruhière, um 1837).


Rechts: Der mykenische Palast von Pylos mit seinem Megaron (auf dem Foto mit dem 2016 fertiggestellten neuen Schutzdach und Laufstegen über dem Grabungsgelände).
Zum Plan der Anlage: „1 Eingang - 2 Hof - 3 Vorhalle - 4 Megaron (Hauptsaal)
- 5 Lagerräume für Olivenöl - 6 Lagerräume für Wein - 7 Archive - 8 Propylon
- 9 Bad - 10 Kleines Megaron”.

Unten links die Badewanne im Raum neben dem „Kleinen Megaron” der Königin,
daneben das Megaron in der zeichnerischen Rekonstruktion von Piet de Jong
 
Quellen: www.ebay.fr/itm/371925899232   Plan mit Legende: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ea/Palace_of_Nestor_plan.png   http://faculty.goucher.edu/eng230/00185a.jpg
https://de.wikipedia.org/wiki/Palast_des_Nestor#/media/Datei:Nestors_Badewanne.jpg   www.aeria.phil.uni-erlangen.de/science-blog/1997_Pylos/pylos_jong1.jpg

Schiff Augen gehabt haben und konnten sich in dem Kanonendonner kaum noch durch Zuschreien verständigen. Henri de Rigny fuhr unmittelbar nach der Schlacht in einem Boot zu Ibrahim Pascha und suchte ihn auf­zu­rich­ten. Hatte doch Ibrahim einige Jahre zuvor seine Armee von französischen Offizieren instruieren und dril­len las­sen.

   Nach der Kapitulation des Sultans im Russisch-Osmanischen Krieg erhielt Griechenland im Londoner Protokoll von 1830 die Unabhängigkeit und mit Otto von Bayern einen ersten König. Er ließ bald vie­le os­ma­ni­sche Ka­no­nen bergen und zum Rezyklieren verkaufen; so diente das Material auch für den Guss des Goethe-Schiller-Denkmals in Weimar sowie dafür, Leo v. Klenzes Backstein-Obelisken am Münch­ner Karolinenplatz mit Bron­ze­plat­ten zu ver­klei­den.

*

Wir verlassen das neuzeitliche Pylos und seine Bucht und fahren nördlich auf der Landstraße gen Chora weiter. Nach einer knappen halben Stunde erreichen wir die Anhöhe Epano Englianos”, auf der 1939 die Archäologen Carl William Blegen und Konstantinos Kourouniotis eine Palastanlage des mykenischen Pylos entdeckten. Sie hofften, den schon von Schliemann 1888 vergeblich gesuchten Palast des greisen „Ros­se­bän­di­gers” Nestor vor sich zu haben, allerdings konnten die von Blegen 1952 bis 1964 geleiteten Ausgrabungen dies nicht bestätigen, so dass man korrekterweise von dem sogenannten Pa­last des Ne­stor” zu spre­chen hat.

   Errichtet wurde dieser an zwei ältere Herrschersitze angrenzende Palast um 1400 v. Chr. und wie andere mykenische Paläste schon um 1200 durch Brand zerstört. Lange Zeit machte die Forschung do­ri­sche Ein­wan­de­rer dafür verantwortlich und dann brandschatzende Seevölker, doch scheinen letztere nur ein Begleitumstand einer größeren sozioökonomischen und machtpolitischen Katastrophe ge­we­sen zu sein, die ih­ren Aus­gang in Vorderasien nahm.Der Palast von Pylos war deutlich kleiner als die Tage später von uns besuchten mykenischen Palastanlagen von Mykene und Tíryns und nahezu un­be­fe­stigt. Von hier oben aus lässt sich jedenfalls die Bucht von Py­los gut über­bli­cken und hät­te man im Notfall noch Zeit für gewisse Schutzvorkehrungen ge­habt. Die Unterstadt des Palastes wurde von ihren Be­woh­nern übri­gens erst vier Jahr­hun­der­te nach sei­ner Zerstörung endgültig verlassen.

Postskript Juli 2019: 2015 fand man durch geophysikalische Verfahren heraus, dass der Bereich der Unterstadt weit umfassender war als bisher angenommen und zudem von einer bis zu drei Meter di­cken Stadtmauer umgeben war.

 

Es ist dies mit der besterhaltene der bisher freigelegten mykenischen Paläste, insbesondere das Hauptgebäude mit dem Megaron und seiner ringförmig eingefaßten (Opfer-)Herdstelle hat durch den Brand er­staun­lich wenig gelitten. In die Vertiefungen an den Ecken des Megarons waren Säulen für die Konstruktion des über dem Herd offenen Dachs eingelassen. An der östlichen Seite des Herdrunds stand der Thron, neben dem noch eine Libationsrin­ne (für Wein­op­fer) zu erkennen ist. In den Lagerräumen dahinter befanden sich manns­ho­he Pi­thoi für Olivenöl, die bei ihrer Ausgrabung immer noch eingemauert wa­ren. Neben dem „Kleine Megaron” der Kö­ni­gin lag das Badezimmer mit einer randbemalten Terrakotta-Wanne.

   Die abgebildete zeichnerische Rekonstruktion des Megarons, ein Aquarell des englischen Ar­chi­tek­ten und Malers Piet de Jong, wurde sehr populär, hat aber wie andere seiner vielen Rekonstruktionen ge­le­gent­lich heftige Kritik auf sich gezogen. Jong hatte schon in den 1920er Jah­ren bei der R­ekon­struk­ti­on der Fresken des Palastes von Knossos an der Seite von Arthur Evans gearbeitet und wurde in den 1950­er Jah­ren auch Mitarbeiter von Carl Blegen. Als Vorlage für seine nicht sel­ten grell­bunten Aqua­rel­le wie für seine Fresken an den Palastwänden verfügte er oft nur über schlecht erhaltene Fragmente, die er phan­ta­sie­voll ergänzte (siehe auch die Abbildungen auf der näch­sten Seite).

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