Quellen: www.minoer.net/wp-content/uploads/2011/02/Knossos-49961-87537-61074-4.jpg www.rokkor.de/crete/knossos/drawing_knossos.jpg www.grieksegids.com/griekenland/2007/albums/userpics/10349/Stierhorens~0.JPG www.historywiz.com/images/greece/labrys.jpg
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Am
Nachmittag wollen wir noch nach Iráklio, finden uns aber wegen der
sehr unzulänglichen Ausschilderung unvermutet auf der Ausfallstraße
nach Knossos wieder. So besichtigen wir denn spontan diese
Anlagen, obgleich wir dies erst für morgen vorhatten.
Entdeckt hatte
Knossos nicht Arthur Evans, sondern der archäologisch interessierte
kretische Kaufmann
Minos(!) Kalokairinos, der auch zwei Magazinräume mit Fundstücken
freilegte. Evans freilich führte seit 1900 die systematische
Ausgrabung durch. Der Sohn eines englischen Archäologen hatte in
Oxford und kurzzeitig auch in Göttingen studiert; auf die Spur von
Knossos brachte ihn Heinrich Schliemann, der aber von seinem
Ausgrabungsvertrag zurücktrat, als er auf dem angekauften Gelände
statt der zugesagten 2500 Ölbäume weniger als die Hälfte gezählt
haben soll (fatale Erbsenzählerei eines gelernten Kaufmanns).
Der
in minoischer Palastbauweise um einen rechteckigen Zentralhof
liegende Gebäudekomplex wurde um 1700 v. Chr. auf den Ruinen eines
Vorgängerbaus errichtet und bis etwa 1350 v. Chr. bewohnt. Im
Vertrauen auf die Insellage und die mächtige, das östliche
Mittelmeer ein Jahrtausend lang beherrschende Flotte besaß auch
Knossos keine Ummauerungen oder andere Verteidigungsanlagen. Der
„Neue Palast” soll mehr als 1400 Räume aufgewiesen haben; es gab
schon Annehmlichkeiten wie Badewannen, Zuleitungen von Quell- und
Regenwasser durch Kanäle und Terrakottaröhren, Gebäudeheizung
durch Warmwasser, ein Belüftungssystem sowie Wände mit Doppelmauern
gegen störenden Lärm. Ein architektonisches Kleinod ist das im
Ostflügel liegende „Große
Treppenhaus”,
das zwei Stockwerke nach unten in den Wohnbereich des Herrschers
führte; mehrgeschossige Kolonnaden aus Zypressenholz (heute
Betonsäulen) flankierten den mit einem Lichtschacht versehenen
Innenhof.
Arthur Evans’ mitunter harsch
kritisierte Rekonstruktion, die unter Gebrauch von Stahlbetonpfeilern
– mit aufgemalten Holzmaserungen – eine konsequent ergänzende
Aufmauerung unternahm, hat ihren eigenen Zauber. Denn das
Durchsteigen und Durchlaufen all der wiedererrichteten Halb- und
Zwischengeschosse dieses verwinkelten vier- bis fünfstöckigen
Komplexes dürfte vielen Besuchern die Empfindung eines veritablen
Labyrinths
hinterlassen. Das kultisch
stilisierte, die Südostecke überragende mächtige Stiergehörn
deutet denn auch selber auf das Minotaurus-Labyrinth hin; dass das
Wort ,Labyrinth’ sich von ,Labrys’
= ,Doppelaxt’
herleiten soll, steht nicht
im Widerspruch dazu. Denn zeichnen sich nicht auch in diesen
Ritual-Doppeläxten die Kulthörner
des Stiers
umrisshaft ab?
Nicht
rekonstruiert hat man Dutzende kleinerer Hörner, die einst die
Zinnen krönten. Die Buntheit der Freskorepliken mag einen heute
verstören, ist aber wohl keine Verfälschung. An Ort und Stelle
belassen wurde eigentlich nur der Thronsessel
aus
Alabaster, der älteste bislang in Europa gefundene, dessen Replik in
Erinnerung an die drei mythischen minoischen (Toten-)Richter dem
Friedenspalast in Den Haag 1913 zum Geschenk gemacht wurde. Nicht
zuletzt wegen der sehr bescheidenen Ausmaße dieses fensterlosen
Raums im Erdgeschoss des Westflügels wird kaum mehr angenommen, dass
dies der Thron eines Herrschers war, stattdessen deutet man ihn
zunehmend als Sitz der Hohepriesterin, die vielleicht in einer
Epiphaniezeremonie die minoische Schlangengöttin
repräsentierte. Dem Thron gegenüber lag ein abgesenktes kultisches
Lustralbecken. – Viele Fundstücke aus Knossos werden wir dann im
AMI-Museum
von Iráklio betrachten.
Bei
unserem abendlichen Spaziergang am Meer überkommt mich das Gefühl,
schon jetzt wieder zurückfliegen zu können. Jedenfalls kann ein
einziger erfüllter Tag, von dessen Begebenheiten und Informationen
ich hier ja nur einen Bruchteil festgehalten habe, eine kleinere
Reise aufwiegen.