Quellen:
http://abrancoalmeida.com/artes/exposicoes/grande-panorama-de-lisboa-azulejo/ http://4.bp.blogspot.com/-NtuTlRSt9A8/VPcuggK2MFI/AAAAAAAAAmM/OcE8hrssOls/s1600/Marq%C3%AAs%2Bde%2BPombal.jpg
Bei
der Praça do Comércio, an der sich bis zum Erdbeben von 1755 das
königliche Uferschloss befand, nehmen wir nun den Bus zu dem
Kachelmuseum „Museu
do Azulejo”
(Plan
Nr. 7).
Der Busfahrer und mehrere Fahrgäste halten uns freundlicherweise
über die Aussteigestation auf dem Laufenden. Vor dem Nationalmuseum
bringt man soeben ein Transparent an, das Lissabon als
Veranstaltungsort des „Festes der Ozeane” ausweist.
Das
Museum (MNAz) ist in den restaurierten Gebäuderesten des ehemaligen
Klosters „Madre de Deus” eingerichtet und zeigt als
Dauerausstellung Azulejos vom 16. Jh. an bis zur Gegenwart, und
zwar aus aller Herren Länder. Die Keramik-Kunsttechnik des
„polierten/ glatten Steins” (von arabisch „az-zulayj”) haben
die Portugiesen wie die Spanier von den Mauren übernommen und
unter Mitarbeit holländischer Künstler von den ursprünglich
ornamentalen Darstellungen zu Szenerien aller Art erweitert. Als
Höhepunkt solcher Kachelmalerei gilt die hier im oberen
Stockwerk ausgestellte 23 Meter lange Azulejo-Wand, die Lissabons
Panorama vor dem verheerenden Erdbeben von 1755 zeigt. Sie schmückte
einst einen Saal im Stadtpalast der Grafen von Tentúgal und
wurde schon Mitte des 19. Jh. von der Lissaboner Akademie der Schönen
Künste erworben. Mit seinen wechselnden Perspektiven von einer 14 km
langen Flusslinie des Tejo her hat dieses Stadtpanorama nicht nur
dokumentarischen Wert, sondern auch den Charakter eines Nachrufs.
Im
Azulejo-Museum macht sich Ruth noch für einen neuen Tübinger
Schul-Brennofen detaillierte Notizen und Skizzen zur
Fabrikationstechnik von Azulejos („... 3. Pergamentpapier mit
Nadel gelocht ... 4. mit Hasenpfötchen geputzt”).
Nach
einer Erfrischung im Innenhof des Museums nehmen wir den Bus zurück
zur Praça do Comércio und lassen uns beim Seehafen längere Zeit
nieder. Welch ständiges Gehaste hin zu den Fähren! Schwärme
hunderter fetter Fische tummeln sich hier in einer wohl warmen
städtischen Zuflussmündung. Im angrenzenden hochgelegenen
Bairro
Alto,
das dem
großen Erdbeben Stand hielt, scheuen wir uns gleichwohl nicht, zu
Abend in einem Souterrain-Restaurant Fisch zu essen, den man hier
selber zu entgräten hat.
Lissabon
wurde schon 1531 von einem schweren Erdbeben heimgesucht, das in der
Stadt und weiteren Umgebung wohl an die 30.000 Todesopfer forderte.
Diesmal aber, am Allerheiligen-Morgen vom 1.
November 1755,
trafen mehrere Faktoren zusammen, die zwischen 20.000 und 100.000
Menschen das Leben kosteten: Es war ein atlantisches Seebeben der
Stärke 8,5 bis 9, dessen Tsunami kaum 10 Minuten später auf die
Stadt traf. Viele Überlebende waren zum Hafen geflüchtet und wurden
dort mitsamt den meisten Gebäuden von den Fluten hinweggerissen.
Der Tsunami löschte zwar die in der Unterstadt ausgebrochenen
Brände, die vielen anderen Feuer aber, meist entzündet durch die
Flammen abertausender Kerzen und Herdfeuer an diesem christlichen
Festtag, entwickelten sich bald zu einer gewaltigen Feuersbrunst. Aus
den zerstörten Gefängnissen entkommene Verbrecher taten sich zu
plündernden Banden zusammen.
Über
Wochen hin machten Nachrichten von diesen Ereignissen in Europa die
Runde und lösten die bekannten geistesgeschichtliche Erschütterungen
aus, die weit über die alte Theodizee-Frage hinausführten und schon
für aufgeweckte Kinder wie den sechsjährigen Goethe das Gottesbild
des „Vaterunser” überhaupt unglaubwürdig werden ließen.
Nachdem von jesuitischer Seite das Ereignis als göttliche Antwort
auf den Geist der Aufklärung und speziell auf entsprechende
Reformbemühungen der portugiesischen Regierung hingestellt wurde,
griff der mit dem Wiederaufbau
der Stadt
beauftragte
damalige Außen- und spätere Premierminister Marquês
de Pombal
mit
aller Härte durch und machte wie mit den Plünderern auch mit den
die Katastrophe instrumentalisierenden religiösen Fanatikern
kurzen Prozess. Ein 1758 verübtes Attentat auf König José I nahm
er zum Anlass, nicht allein die dafür verantwortlich gemachten
Adligen und ihre Angehörige in
Belém öffentlich foltern und hinrichten sowie
deren Paläste niederreißen zu lassen, vielmehr ließ er auch deren
einflussreichen jesuitischen Berater Gabriel Malagrida als Häretiker
erdrosseln und auf dem Scheiterhaufen verbrennen. 1761 schließlich
ordnete Pombal die Auflösung des Jesuitenordens in Portugal und den
Kolonien an; gewissermaßen als Satyrspiel ließ er 1768
Molières ,Tartuffe’
ins Portugiesische übersetzen und später unter Anwesenheit der
königlichen Familie im Nationaltheater aufführen (Tartuffe war
dabei wie ein portugiesischer Jesuit gekleidet) . – Das Ölbild
zeigt den Marquês vor ausgebreiteten Plänen für den Wiederaufbau
Lissabons und auf das schon Geleistete hindeutend.