Auf
dem weiteren knapp 2 km langen Fußweg vom Panteão Nacional zum
Castelo de São Jorge treten wir bald in Lissabons
ältesten Stadtteil Alfama
ein. Mit anderen Passanten sehen wir hier minutenlang dem spannenden
Rangiermanöver zweier Eléctricos zu, die sich in einer zu engen
Kurve begegnet waren. Nach einer Tee- und Sandwichpause in einem
nahen Straßencafé gehen wir zu der Aussichtsterrasse „Miradouro
de Santa Luzia”
hinüber. Und lassen uns unter ihrer schattigen, von Weinlaub und
Bougainvilleen überrankten Pergola ausgiebig Zeit, die
tieferliegenden Szenerien zu mustern, insbesondere die unterhalb des
Castelo de São Jorge liegenden halbkreisförmig gewundenen Gassen
der Alfama.
Wir
ersteigen nun den Burghügel mit der Festungsanlage „Castelo
de São Jorge” (Plan Nr. 6).
Auf dem Gelände dieses ältesten Bauwerks der Stadt hat man Relikte
der Phönizier, Karthager, Griechen, Römer und Westgoten ausgegraben
und die Funde in dem 2013 eröffneten Museum ausgestellt. Spätestens
die Römer hatten hier auch eine Festungsanlage errichtet, in ihrer
endgültigen Gestalt jedoch wurde sie erst im 11. Jh. von den Mauren
erbaut, die von 719 bis 1147 meist von Córdoba aus die Herrschaft
über Portugal ausübten. Die oben abgebildeten Steinbogen sind Reste
des 1255 nach der christlichen Wiedereroberung errichteten und
durch das Erdbeben von 1755 zerstörten Königspalastes. Danach war
die Festung zeitweilig mit einem Gefängnis, einem Theater und einem
Kinderheim belegt.
Nach
Erkunden des Burghofs mit seinen vielen schattenspendenden Bäumen
laufen wir den Wehrgang ab. Obgleich wir nun schon zum dritten oder
vierten Mal von einem Aussichtspunkt her Bezirke diese wunderschönen
Stadt vor Augen haben, können wir uns an dem jetzigen Rundblick
nicht sattsehen. Ein Großteil der umliegenden Gebäude wurde
offenbar erst jüngst renoviert.
Einer
der vom Wehrgang zurückgezogen liegenden Mauertürme diente einst
als königliches Archiv und Schatzkammer. Es ist der „Odysseus-Turm”
(„Torre
de Ulysses”), in dem mittels eines Periskops ein 360°-Panorama
der Stadt live zu sehen ist; zur Zeit bzw. Stunde unseres Besuchs
jedoch ist er geschlossen. Nach römischen Geschichtsquellen hat mein
Lieblingsheld auf seinen Irrfahrten Lissabon gegründet. Unter den
Römern hieß die Stadt denn auch „Olisipona” oder „Ulyssipo”,
unter den Westgoten „Ulishboa” und unter den Mauren
„Al-Aschbouna”. Wiederholt feiert auch Fernando
Pessoa
die
mythisch-magische Präsenz des Gründers der siebenhügeligen Stadt,
am eindringlichsten in seinem Poem ,Ulysses’:
„Der, der hier an Land ging,/ War, weil er nie existierte./… Und
erschuf uns” (1934 veröffentlicht in dem Gedichtband
‚Mensagem’/‚Botschaft’).
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