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Im Archäologischen Nationalmuseum Athen: Oben der Hermes von Andros (römische Kopie nach dem Original des Praxiteles) und die Statuette der Athena Varvakion (Miniaturkopie nach der Athena Parthenos)

 

Links oben: Der Mykénesaal mit Schliemanns prächtigsten Fundstücken aus dem „Gräberrund A”, daneben der Eberzahnhelm aus dem 14.-13. Jh. v. Chr.

 

Unten der auf dem Meeresgrund bei Kap Artemision gefundene Reiterknabe

Bildquellen: www.thisisathens.org/sites/default/files/styles/paragraph_gallery/public/2019-04/OWN-Museums-NationalArchaelogicalMuseum2.jpg?itok=JTZ5rd7e  https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/b9/Boars%27s_tusk_helmet_NAMA6568_Athens_Greece1.jpg   www.reisefieber-pur.de/images/n053728_print1000.jpg  http://dmiventana.blogspot.de/2010/01/el-hermes-de-andros.html   http://dic.academic.ru/dic.nsf/dewiki/108425

    

 

Nach einer Mittagspause machen wir uns auf den Weg zum Archäologischen Nationalmuseum Athen. Wir nehmen wieder die neue „rote” Metrolinie 2, steigen an der Station Omónia aus und gehen das letzte Stück zu Fuß. Eingedenk unseres Mykéne-Aufenthalts von 1997 suchen wir als erstes den Mykénesaal mit den spektakulärsten Funden von Heinrich Schliemann auf. Etliche Ob­jekte sind uns schon als Kopien vom Mykéne-Museum her bekannt, so die goldenen Goldwaage, der Bronzedolch mit der golden eingelegten Löwenjagdszene, der Keramikkrater mit mar­schie­renden Kriegern und auch die von Schliemann als Totenmaske des Agamemnon titulierte Maske eines mykenischen Fürsten. Dieser lebte freilich ungefähr drei Jahrhunderte vor dem hy­po­the­tisch auf das 13. Jh. v. Chr. angesetzten Trojanischen Krieg. Aus diesem Zeitraum stammt jedoch der abgebildete, von Schliemann im „Gräberrund A” entdeckte Eberzahnhelm. Wie üblich, wur­den da­für die Hauer von oft Dutzenden Ebern auf einer Lederkappe befestigt, deren Innenseite mit Filz gepolstert wurde. Homer beschreibt im 10. Gesang der Ilias den Eberzahnhelm des Odys­seus, den dieser von seinem diebischen Großvater, dem Hermessohn Autólykos geerbt hatte (Ilias X 260-265, nach J. H. Voß):

Aber Meriones gab dem Odysseus Bogen und Köcher,
Samt dem Schwert; und bedeckte des Königes Haupt mit dem Helme,
Auch aus Leder geformt: inwendig mit häufigen Riemen
Wölbt' er sich, straff durchspannt; und auswärts schienen die Hauer
Vom weißzahnigen Schwein, und starreten hiehin und dorthin,

Schön und künstlich gereiht; und ein Filz war drinnen befestigt.

 

 

Hermes selbst begegnet uns als Statue oder Relief in mehreren Sälen des Museums. Aus der einen oder anderen (römischen) Kopie blickt noch wie urbildlich die Statue des Praxiteles in Olym­pia heraus, die Hermes mit dem kleinen Dionysos auf dem Weg zu den Nymphen zeigt. Bei diesem Rundgang geht mir auch auf, wie ein nur leicht verunglückter Zug um den Mund aus die­ser so kampfes- und geistesstarken Gottheit einen weichlichen Dandy machen kann, was sich sogar bei dem in Saal 21 ausgestellten Hermes von Andros andeutet (eine leicht übermannshohe Mar­mor­ko­pie aus dem 1. Jh. v. Chr. nach der im 4. Jh. geschaffenen Bronzestatue aus der Schule des Praxiteles). Die Marmorstatue gehörte zu einem Grabmonument auf der Kykladeninsel An­dros und wurde ohne die üblichen Hermes-Attribute gefunden; wie an der gleichförmigen Kopie des Farnesischen Hermes zu sehen, hielt der Seelengeleiter seinen Heroldsstab in der ab­ge­schla­genen Lin­ken und trug zudem Flügelschuhe.

 

Mit das bedeutendste Ausstellungsstück des Museums ist die nur 110 cm hohe Kopie nach der beinahe 12 Meter hohen Goldelfenbeinstatue der Athena Parthenos. Das Original aus der Schule des Phidias wurde 438 v. Chr. im neuen Parthenontempel („Parthenon III”) geweiht und im 4. Jh. n. Chr. wie Phidias' in Olympia errichtete Kolossalstatue des Zeus ins christliche Konstantinopel ver­schleppt, wo sich ihr Schicksal verlor (womöglich wurde sie wie die Zeusstatue bei einem Großbrand zerstört). Die auf dem Gelände der Athener Varvakion-Schule gefundene Statuette, eine rö­mi­sche Ko­pie, zeigt sie mit der schlangenbesetzten Medusa-Aegis und im gegürteten Peplops; ihren phantastisch ausgeschmückten Helm krönen eine geflügelte Sphinx und ihr zu Seiten je­weils ein helmbuschverzierter Pegasos. In der Rechten hält die Göttin eine kleine geflügelte Nike mit einer Siegerbinde und mit der Linken ihren Schild, der in der Mitte der Außenseite das ge­flü­gel­te Haupt der Medusa präsentiert, umringt von einer Amazonenschlacht. Nah der Innenseite des Schildes hat sich eine der Göttin heilige Schlange drohend hochgereckt.

   Eine weitere freudige Überraschung in Saal 21 bietet neben der Hermesstatue die Bronzeskulptur eines Reiterknaben auf seinem Pferd. Sie wird auf die Mitte des 2. Jh. v. Chr. datiert und wur­de erst um 1930 von Fischern bei einem antiken Schiffswrack auf dem Meeresgrund vor Kap Artemision entdeckt. Sie zeigt den wohl aus (Nord-)Afrika stammenden 10- bis 12-jährigen Rei­ter ver­mut­lich bei einem Pferderennen; in der Linken hält er den Zügel und scheint zu einem Konkurrenten hinüberzublicken. Welche Dynamik in der körperlich so gegensätzlichen Einheit von ent­fes­sel­tem gewaltigem Tier und gebietendem Menschenkind!

    Vor Kap Artemision fand man bei jenem Wrack auch die Bronzestatue eines „Gottes aus dem Meer”. Sie erinnert mich an die beeindruckende Szene in meinem Lieblingsfilm Die Fahrten des Odys­seus, in der Odysseus in tobender See eine ähnlich gestaltete Poseidonstatue ins Meer stürzt.

 

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