Bildquellen: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6c/Section_of_the_Acropolis_Old_Temple_of_Athena_detail_%28reconstitution%29.jpg www.akropolis.gr/erechtheion.php
Das Erechthéion wurde erst 406 v. Chr. fertiggestellt, Jahrzehnte nach den beiden Nachfolgertempeln des von den Persern 480 v. Chr. zerstörten Parthenon-I-Tempels. Es erhielt aber sogleich das einst im jenem Tempel aufgestellte Kultbild der Athena Polias zurück, das die aus Athen Flüchtenden nach Salamis mit sich genommen hatten. Der Legende nach war das aus Olivenholz gefertige Kultbild (das „Xóanon”) einst vom Himmel gefallen; es hat einen sakralen Bezug zu dem Ölbaum, den Athena Polias aus dem Boden entspringen ließ und damit im Wettstreit um die Schirmherrschaft Athens gegen Poseidon als Siegerin hervorging. Das Foto zeigt unten links den zum Nachfolger erkorenen, 1900 von der griechischen Kronprinzessin Sophie von Preußen gepflanzten Olivenbaum vor dem Tempel. In diesem „Pandroseion”-Bezirk hatte der „autochthone”, der Erde entsprungene und schlangenförmig geschwänzte Kekrops seine Wohn- und Grabstätte; auch lag hier die Erdspalte, in der die Athena heilige Schlange hauste. Der Tempel der Athena Polias selbst, das Ziel des Panathenäischen Festzugs, diente zugleich als Kultstätte für Poseidon und den mythischen König Erechthéus.– Während der osmanischen Besetzung befand sich im Erechthéion der Harem des Akrópolis-Kommandanten; wie andere Gebäude wurde er durch das venezianische Bombardement von 1687 beschädigt.
Der Anblick dieses Baukomplexes ist, wie vielen Besucherkommentaren zu entnehmen, auch nach längerer Musterung verwirrend. Ein Grund dafür liegt in der Unebenheit des Geländes und der unterschiedlichen Höhe der Fundamente, ein anderer in der unregelmäßigen Gebäudeflucht. Die zierliche Vorhalle mit den als Karyatiden dienenden Koren wirkt wie hinzugesetzt zu den beiden weit größeren Bauten, war aber schon einige Jahre früher fertiggestellt. Die Wortherkunft von „Karyátides” ist umstritten; Pausanías jedenfalls erwähnt in seiner Beschreibung Griechenlands (III 10,6), dass nördlich von Sparta in dem lakonischen Dorf Karyai die Statue der „karyatischen Artemis” jährlich mit einem Reigentanz der Mädchen geehrt wurde.
Die erst Ende der 1970er Jahre restaurierten Nachbildungen der überlebensgroßen Koren beginnen schon wieder zu verwittern und sollen in Kürze erneut durch Repliken aus Kunststein ersetzt werden. Da sie als Kopien schon bei den Römern begehrt waren und damals noch ihre Unterarme besaßen, weiß man, dass sie Schlangenarmreife trugen, mit der Linken den Gewandsaum fassten und in der Rechten Opferschalen hielten. Ihrer Last zum Trost stehen diese jungen Karyatiden lässig da. Die Gesamterscheinung ist zwar recht einheitlich, jedoch wurden sie von verschiedenen Bildhauern skulptiert und in den Details unterschiedlich ausgestaltet. Thomas Elgin, uns schon von Mykéne her als emsiger Kunstplünderer bekannt, durfte mit osmanischer Erlaubnis die schönste der sechs Statuen nebst anderen Kostbarkeiten vom Parthenon, Niketempel und Propylaion in sein schottisches Anwesen entführen; später konnte er sie an das British Museum verkaufen.