GOETHES LETZTES JAHRZEHNT. GESPRÄCHSPARTNER
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Bildquelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/6c/1823_Schadow_Bildnis_Lili_Parthey_anagoria.JPG
als
selber ins Gespräch verwickelt zu werden, gelingen Aufzeichnungen,
die besonders für Goethes komplexe Argumentation und für
atmosphärische Beiläufigkeiten seiner Gesprächsführung offen
bleiben.
Die
eigenwilligsten und dabei doch getreuesten
und detailfreudigsten Aufzeichnungen solcher Gruppengespräche
stammen von zwei Frauen, von Luise v. Löw und Lili Parthey.
Die 27jährige Luise v. Löw hält ihren Dornburger Besuch vom
2.8.1828 wie im Gedächtnisprotokoll fest. Nur so, unausgearbeitet
noch und mit abrupten Übergängen, ohne Rücksicht auf das
Verständnis eines Lesers, konnte wohl der auch von einem ihrer
Begleiter bemerkte überreiche Themenkreis mitsamt den vielen kleinen
Anspielungen, Abschweifungen, Komplimenten und scherzhaften Attacken
Goethes sowie dem ständigen Hineinspielen der Dornburger Umgebung
ins Gespräch hinüber aufs Papier gerettet werden. So
konzentriert muß sie bei der Niederschrift gewesen sein,
nachhorchend und -schreibend, daß ihr dabei gewisse
Formulierungsfeinheiten Goethes erst eigentlich zum Bewußtsein kamen
(»vier Adjektive«, notiert sie wie erstaunt).
Der
Marienbader Tagebuchbericht der 23jährigen Zelter-Schülerin
Lili Parthey hat
nichts Verknapptes, er strömt über vor »Ekstase« und »Seligkeit«
nach der langersehnten Begegnung vom 23.7.1823, über die sie eine
halbe Nacht nachgedacht habe, um sie dann gegen die alles
»verwischende« Zeit festzuhalten. Wie uns Goethe in ihren
Aufzeichnungen, die nebenbei viel vom böhmischen Badeleben
offenbaren, entgegentritt, charmant, schlagfertig, mit Seitenblicken,
indirekten Antworten und seinem eingeschobenen »Ach ja!«, wie er
dann mit liebenswürdigen kleinen Belehrungen auf ihre leicht
vorwitzigen, aber tapfer-provokant durchgehaltenen
Bemerkungen eingeht, all das zeigt uns auch, daß er auf sie den
Eindruck gemacht hat, um den er sich bei der etwas phlegmatischen
Ulrike v. Levetzow vergeblich bemüht hatte. »Der Kulminationspunkt
meiner Existenz ist vorüber«, schreibt sie zu Beginn und
bekräftigt am Ende noch einmal ihr Motiv: »die Zeit verlöscht
mehr, als wir denken und möchten!« Lili Parthey starb schon wenige
Jahre später.
Solch
monomanische und um einen Leser unbekümmerte Aufzeichnungen finden
wir sonst nur spärlich, verstreut in Briefberichten an
Vertraute oder auch in Tagebuchaufzeichnungen wie denen S.
Boisserées, der im Mai 1826 durch seinen despektierlichen Blick
imponiert und auch schranzenhafte Erscheinungen in Goethes Umgebung
beim Namen nennt. Viele
Gespräche wurden aber erst Jahrzehnte später aufgezeichnet,
getrübt durch allerlei Rücksichtnahmen, Selbstinszenierungen und
Erinnerungsschwächen. Wobei jedoch weniger der Zeitenabstand
über Qualität und Authentizität der Aufzeichnungen entscheidet,
als vielmehr Blick und Persönlichkeit des
Berichterstatters. Weshalb einem Friedrich Förster sogar das jeden
Kommentator zur Verzweiflung bringende Wirrwarr seiner
Sach- und Zeitangaben nachzusehen ist.
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