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GOETHES LETZTES JAHRZEHNT. BRIEFPARTNER

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Bildquelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Amalie_von_Levetzow#/media/File:Amalie_von_Levetzow_(1788-1868)_by_Johann_Friedrich_August_Tischbein.jpg


Im dritten neuen Briefwechsel des letzten Jahrzehnts, dem mit Amalie v. Levetzow, klingen die Marienbader und Karlsbader Wochen vom 11. 7. bis 5. 9. 1823 noch lange nach. Es ist keineswegs so, daß Goethe nach der fehlgeschlagenen Werbung um die 19jährige Tochter Ulrike (durch den Großherzog Carl August) oder nach der krisenhaften Niederschrift der 'Elegie' auf der Rückreise nach Weimar dieser »unmöglichsten aller Synthesen« entsagt hätte. Für 1824 und 1825 erklärt er der Mutter mehrmals, wieder nach Böhmen kommen zu wollen. Er spricht zwar Ulrike v. Levetzow in diesen Briefen häufig nur kollektiv an und versteckt auch später, als er nicht mehr vom Wiedersehen schreibt, seine Neigung gern im Erinnerungskult an das gemeinsame Ge­burts­tags­ge­schenk der drei Töchter für 1823, den Becher mit ihren eingravierten Namenszügen. Doch brechen immer wieder individuelle Grußworte und Erinnerungen an das »schlancke, liebe Kind« durch, »das Allerliebste«, »unsre liebe, geliebte Aelteste«, von der er erwartet, sie werde an einem zugesandten Goethebildnis Bovys »ein Eigenthumsrecht < ...> gewiß empfinden« (17.6.1825). Und er bekennt der Mutter: »Wie glücklich waren die Stunden die ich an ihren holden Fingern abzählen durfte«, wobei er denn doch eine Konzeptstelle zum sel­ben Brief vom 29.8.1827 lieber für sich und uns behält: »Der Wunsch sie <Ulrikes Hand> noch einmal auf­richtig zu drücken, kann bei mir nicht erlöschen«.

    Wie dies Verlangen sich freilich abschwächte, geben wohl zwei kleine Fehlleistungen noch aus der ersten Zeit zu erkennen. Am 31.12.1823 wiederholt er fast wörtlich einen Passus aus seinem Brief vom 29.11., in dem er versicherte, wie sehr sich doch der 1823 in Böhmen geschlossene »extemporierte <Ehe->Bund« sei­nes Weimarer Hofarztes Rehbein bewährt hätte. Dieser verkappten Identifikation folgt aber schon im Herbst 1824 ein Missgeschick, das einer Verleugnung nahekommt, »der wunderlichste aller Unfälle«, als er offenbar auf der Weimarer Poststation die Levetzows, die sich dort auf der Durchreise nach Straßburg aufhalten, sieht und nicht erkennt! »Ich will nun auch nicht mehr an Vorahnungen und sonstiges geheimes Andeuten im min­des­ten glauben da so viel Schönes und Liebes unempfunden bey mir vorüber gehen können.« Mit dieser Er­klä­rung vom 18.10.1824 werden Sehnsucht, Ungeduld und Hoffnung der Anfangsbriefe durch Entschuldigungen und Beteuerungen der Verbundenheit allmählich verdrängt. Entsetzen und Resignation mischen sich bei die­sem »Unfall«, in dem sich für ihn der ominöse Kutschenunfall von 1816 zu wiederholen scheint, als zu Beginn der Rheinreise sein Wagen umstürzte und er dies als Zeichen nahm, die Reise ganz aufzugeben wodurch er sich ein für allemal aus der Nähe Marianne v. Willemers verbannen sollte. Die Dämonisierung des Tren­nungs­wun­sches ist jetzt gewiß unscheinbarer und auch die fortschreitende Loslösung fast nur daran zu erkennen, daß Goethe die Spuren dieses Briefwechsels nicht mehr konsequent wie früher verwischt und ab Mitte 1825 gar die Konzepte seiner meist eigenhändigen Briefe aufbewahrt. Erst mit dem Tode Carl Augusts, der mit Amalie v. Levetzow seit langem befreundet gewesen war, scheint es ausgestanden zu sein: Nach diesem Sommer 1828 hat Goethe nur noch zwei knappe Schreiben nach Böhmen gesandt. Erstorben wohl auch jetzt erst eine nie erklärte Zuneigung oder Liebe hinter dieser Liebe, zu »einem glänzenden Stern meines früheren Ho­ri­zonts« (wie er Amalie v. Levetzow am 9.1.1823 durch ihre Tochter Ulrike grüßen läßt).


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Amalie von Levetzow (1788-1868)
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