Quellen:
https://thevelvetrocket.files.wordpress.com/2012/01/siracusa-7.jpg https://it.wikipedia.org/wiki/Cimitero_acattolico_di_Siracusa#/media/File:Tomba_vonplaten.jpg
In
der Nähe des Griechischen Theaters erstrecken sich die
berüchtigten Latomia
del Paradiso.
Ursprünglich wurden in ihnen wie in anderen Syrakuser Latomien (gr.
,Lithotomiai’) Kalksteine für die Gebäude und
Stadtmauern gebrochen. In späterer Zeit nutzten die Syrakuser diese
Steinbrüche als Gefängnisse. Ihren schlimmen Ruf erlangten sie, als
nach der Niederlage des athenischen
Expeditionsheeres
(413 v. Chr.) 7000 Kriegsgefangene hier unter
unsäglichen Bedingungen Monate lang eingekerkert blieben, bis sie
meist als Sklaven verkauft wurden. Der Kalktuff war in der
Regel sukzessive von oben nach unten abgebaut
worden, so dass die eingepferchten Gefangenen drunten, die nicht
einmal ihre Toten fortschaffen durften, schutzlos der Sonne
ausgesetzt waren. Ihren Ruf als ,Paradies’
erhielten die Latomien erst durch ihre Garten- und
Parkbepflanzungen insbesondere im 19. Jahrhundert.
Die
bekannteste dieser Grotten ist das ,Ohr
des Dionysios’,
eine 1608 von ihrem Besucher
Caravaggio so bezeichnete Seitenaushöhlung, die einem Menschenohr
gleiche und vielleicht von dem Tyrannen Dionysios I.
benutzt oder sogar angelegt worden sei, um von einem oberhalb der
Höhle angelegten Versteck die Gespräche von Gefangenen zu
belauschen. Diese Legende hat über Jahrhunderte die
Phantasie der Besucher beflügelt. Der Historiker F. Gregorovius
erwähnt in seinem Buch ,Wanderjahre
in Italien’ (1856)
„eine
Öffnung, durch die man von oben her, wie aus einer Loge,
in die Latomie hineingehen und hineinhören kann”. Andere Besucher aus dem 19. Jh. hingegen, so der
in Syrakus heimische Archäologe Saverio Landolina und der Privatgelehrte Johann
H. Ch. Westphal, konnten aus einem oben angebrachten Versteck – einem anderen?
– nichts als verworrene Reden von unten her vernehmen. Unten allerdings, am Boden der leicht
s-förmig gewundenen gut 60 Meter langen und 20 Meter hohen Grotte, ist die
Akustik phänomenal, ein Pistolenschuss etwa klang für Westphahl ohrenbetäubend
wie nur ein Kanonenschuss. Bei unserem Besuch sind leider zu viele andere Besucher
dort, als dass wir auch nur den gehörschonenderen Versuch von J. G. Seume
wiederholen oder variieren könnten: „Ein Blättchen Papier, das man am Eingange
zerreißt, macht ein betäubendes Geräusch ...”
Die
Grotte der
Seildreher nebenan
war seit dem 18. bis in die Mitte des 20. Jh. die Werkstatt der
„Cordari”. Ihr feuchtes Klima war zwar der Hanfbearbeitung und
-lagerung zuträglich, aber sicherlich nicht der Gesundheit
der dort Arbeitenden. Für Gregorovius
gaben diese „ein recht schmerzliches Bild menschlicher Pein” ab
(„bleiche, fremdgeartete
Kinder und zerlumpte Frauen bringen in
diesem Kerker rastlos spinnend ihr Leben hin”). Nach einem
Erdbeben in den 1980er Jahren musste die Grotte wegen Steinschlag-
und Einsturzgefahr geschlossen werden. Bezaubernd sein soll das
Licht- und Farbenspiel der von Sonnenstrahlen beleuchteten
Felspartien sowie Moose und Farne.
Vergeblich
suche ich hier wie schon beim griechischen Theater nach einem
Hinweisschild für das Grab unseres aus Neapel vor der Cholera
bis Syrakus geflüchteten und doch 1835 ihr erlegenen Landsmannes
August
v. Platen.
Es soll sich irgendwo in der Nähe bei der Fundstelle der Venus
Landolina befinden.
– Postskript
2017:
Es liegt einen guten Kilometer östlich des Archäologischen Parks
bei einem Olivenhain im Garten der Villa
Landolina.
Platen hatte seine Erkrankung durch übermäßige Selbstmedikation
rasch verschlimmert und soll in den Armen seines Gastgebers und
Freundes Marchese Mario Landolina gestorben sein. Den
kleinen „Nichtkatholischen
Friedhof”,
auf dem auch einige protestantische Offiziere beigesetzt wurden,
hatte Landolinas Vater Severio anlegen lassen. Er war
korrespondierendes Mitglied der Göttinger Akademie der
Wissenschaften und hatte schon 1802 dem gastfreundlich aufgenommenen
Seume die Sehenswürdigkeiten der Stadt gezeigt.
Sein
Sohn ließ an Platens Grabstätte eine marmorne Gedenktafel mit dem
Familienwappen des Grafen anbringen.
An
dem 1869 errichteten und 2012 restaurierten Denkmal mit Platens
Büste vermisst der Quintaner in mir noch an einer Seite
den Anfangsvers seiner populärsten Ballade, der
unsterblichen Totenklage ,Das
Grab am Busento’.
- 7 -