Quellen: http://cdn.gelestatic.it/repubblica/blogautore/sites/923/2015/01/mazzarino.jpg https://geriatrixrt.wordpress.com/2014/05/04/piazza-garraffello/ http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Palermo-Park-bjs-1.jpg
http://panormus.altervista.org/steri.jpg www.italiani.it/palermo-del-1600-uno-sguardo-ai-graffiti-delle-carceri/
Noch
gut zu Fuß, laufen wir vom Archäologischen Museum in südöstlicher
Richtung auf den Hafen und Botanischen Garten von Palermo zu. Von
einem prächtigen Boulevard her treten wir in eine kurze dustere
Altstadtgasse ein, die mit ihren höhlengleichen
Hauseingängen oder doch vielleicht schon
Wohnräumen Beklemmungen auslösen kann. Drinnen und auf der Gasse
sitzen lautstark oder schon krakeelend Männer
bei Karten- und Glücksspielen, etwas weiter draußen
streifen Kinder bettelnd umher. Wenig später kommen wir zu der
grauenhaft verwahrlosten Piazza Garraffello mit dem gleichnamigen
Brunnen und einigen verrottenden Palazzi.
P.S.
2017: In der historischen
Altstadt Palermos gibt es noch etliche solcher Quartiere
und an die 1500 vom Verfall bedrohte Gebäude. Seit langem sucht man
sie auch durch EU-Fördermittel zu sanieren, von denen
jedoch ein Großteil bei der Mafia oder den mit ihnen
liierten Christdemokraten und Politikern der ‚Forza
Italia’ Berlusconis versickert
sein soll. Das Stadtviertel
Loggia mit der abgebildeten Piazza Garraffello
ist ein solcher Brennpunkt. Seit Ende der 1990er Jahre agiert
dort der österreichische Street-und-Land-Art-Künstler Uwe
Jäntsch an der Seite seiner palermischen Gefährtin
Principessa Constanza Lanza di Scalea, um den weiteren
Niedergang dieses Stadtviertels zu stoppen.
Zu ihren dortigen Installationen oder ‚Eingriffen’
gehört der im Jahre 2007 aufgestellte
‚Bancomat’, der den gleichzeitig installierten
Schriftzug über dem Palazzo
Lo Mazzarino Merlo
aufnimmt und so daran erinnert, dass an diesem Platz das
Finanzzentrum Palermos lag. Im Palazzo Merlo
selbst wuchs der Vater des späteren französische
Premierministers und Kardinals Mazarin (Mazzarino) auf. Erst nachdem
die Wahl zur Kulturhauptstadt Italiens für das Jahr 2018 auf Palermo
gefallen war, wurde 2017 die Sanierung des Platzes und
seiner Gebäuden von der Stadtverwaltung und von
privaten Investoren in Angriff genommen; um
2020 soll sie abgeschlossen sein. Weiterhin
zugänglich bleibt hoffentlich das phantastische
(Kugel-)Panoramabild
von
Stephen Berson, das auch etliche der mehrmals
von Ordnungskräften wieder beseitigten
‚Eingriffe’ von Uwe Jäntsch dokumentiert.
*
Dem
Hafengelände kommen wir dann jedoch nicht
nahe genug, das Terrain davor ist über weite Strecken hin
vergittert oder durch eine überbreite Peripheriestraße abgeriegelt.
So machen wir bald im Garibaldi-Park
neben
Europas wohl größtem Feigenbaum mit seinen vielen skurrilen
Luftwurzeln Rast – eine Labsal nach dem Gang durch die so
verwüsteten Altstadtbezirke. Dem 1863 gepflanzten Baum schräg
gegenüber befindet sich der spätgotische Palazzo
Chiaramonte,
von 1412 bis 1517 Sitz der aragonesischen bzw. spanischen Vizekönige
Siziliens und
gegenwärtig
des Rektorats der Universität Palermo. Ich lese Ruth aus einem
Reiseführer vor, dass die in Spanien schon 1478 durch
die „Katholischen Könige” eingeführte
‚Heilige Inquisition’
von 1600
bis 1782 in dem Festungspalast ihren Sitz hatte. Auf
der Piazza davor fanden die mit feierlichen Prozessionen
begangenen Autodafés statt; an der Kleiderfarbe
des Delinquenten war zu erkennen, ob er als Bußfertiger mit bis zu
200 Peitschenhieben traktiert oder als renitenter Ketzer der
weltlichen Gewalt und damit dem Feuertod zugeführt
werden sollte.
Nach Aufhebung des
Inquisitionstribunals 1782 durch den aufgeklärten, mit Helvétius
und d’Alembert befreundeten bourbonischen Vizekönig Domenico
Caracciolo wurden die Folterinstrumente und das Geheimarchiv
vernichtet. Erhalten haben sich aber viele Graffiti in
italienischer, lateinischer, englischer und hebräischer Sprache, die
man teilweise erst während der jüngsten Restaurationen entdeckt
hat. Geschrieben und gezeichnet wurden sie mit allen
verfügbaren Materialien wie Kohle, Ziegelstein, Wachs und Kerzenruß, Milch, Eiweiß oder auch mit Blut und Exkrementen. Das abgebildete Monster, das hier eine lange jüdische
Ahnenreihe im Rachen hat, deutet man als
Darstellung
des altbiblischen Meeresungeheuers Leviathan; die
Inschrift unterhalb seines Portalkreuzes variiert das Höllentor-Motto
aus Dantes ,Inferno’ („Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung
fahren.”). Die sizilianischen Juden
wurden nämlich wie die Muslime ebenfalls erst unter der Herrschaft
der katholischen Aragonesen
vertrieben und ihre verbliebenen (Zwangs-)Konvertiten
nach spanischem Vorbild bald von der Inquisition
drangsaliert. Deren infames Procedere verlief generell so,
dass die Inhaftierten ohne Verlesung einer Anklage auf
unbestimmte Zeit eingekerkert, verhört
und oft durch Folter zu einem Geständnis in die vom Inquisitor
nahegelegte Richtung gepresst wurden. Sie
erfuhren nie die Namen ihrer Denunzianten oder Beschuldiger, die ihrerseits
im Falle einer schuldhaften Nichtanzeige
durch die Inquisition bedroht waren. Die Inquisitoren aber
konnten sich dank päpstlicher Sondererlaubnis
gegenseitig die Absolution erteilen.
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