Quellen: Google-Maps-Foto: 'Tíryns' (Legende von mir, H.F.) www.odysseyadventures.ca/articles/mycenae/tiryns_bathroom.jpg www.capper-online.de/Travel/Balkans/08b_B_Altar_Tiryns.jpg https://oxfordre.com/view/10.1093/acrefore/9780199381135.001.0001/acrefore-9780199381135-e-6484-graphic-004-full.jpg www.hellenica.de/Griechenland/Geo/Tiryns05.html www.uni-heidelberg.de/fakultaeten/philosophie/zaw/ufg/forschung/forschungen_tiryns.html
Die
Palastruinen der Oberburg gehören im Wesentlichen der um 1250 v.
Chr. erbauten dritten Burg von Tíryns an. Der abgebildete Rundbau
(Nr. 9)
mit seinem gewaltigen
Durchmesser von 28 Meter wurde jedoch schon in der frühen
Bronzezeit um 2500-2200 v. Chr. angelegt. Da seine Mauerreste unter
dem Megaron aus der Palastzeit liegen, hat man von ihnen seit 1912
nur ein Viertelsegment sukzessive freigelegt. Größe,
Lage und Komplexität des Rundbaus deuten auf eine
prominente Funktion hin, womöglich war es ein erster befestigter
Palastbau (s. diesen Rekonstruktionsversuch).
Das
große Megaron
(Nr. 1) als
Machtzentrum der Burg gliederte sich wie bei den Palästen von Mykéne
und Pylos in einen Haupt- oder Männerraum und den axial angeordneten
Zugangsbereich mit Vorraum und Vorhalle. Der
repräsentative und kultisch genutzte Hauptraum besaß auch hier
einen säulenumstandenen Rundherd und einen erhöhten Thron an der
Ostwand; die Wände waren mit Fresken und der Boden mit
Oktopoden, Delphinen und Rosettenmustern bemalt. Zudem existierte hier ein kleines
Megaron (Nr. 7),
das man als „Megaron der Königin” zu bezeichnen pflegte,
vermutlich aber der beibehaltene Männersaal des
Vorgängerpalastes und danach womöglich der
Sitz des Neben- oder Unterregenten (des Lagawetas) war. Es hatte wie
das große Megaron des Königs (des Wanax) einen
Herd und Thronplatz und war ebenfalls mit Wandgemälden
ausgeschmückt.
Bis
heute herrscht keine Klarheit über die Funktion des sog. Rundaltars
(Nr. 5)
im großen Palasthof,
der ebenfalls in axialer Ausrichtung mit dem Megaronbereich lag.
Wegen seiner geringen Tiefe von 60 cm schloss schon Schliemann
die Funktion als Brunnen aus und konnte ihn sich nur als Opfergrube
erklären. Zugleich mit der Errichtung des Megarons der
Nachpalastzeit erhielt der Altar eine rechteckige
Ummantelung. Er ähnelte nunmehr der von vier Säulen
umstandenen Herdstelle des großen Megarons, das nach dem Palastbrand
aufgegeben worden war. Auf diese Weise, so nimmt man neuerdings
an, könnte er als Erinnerungsstätte an jenes
herrschaftliche Megaron und damit symbolisch zur Legitimierung der
neuen Herrscher von Tíryns fungiert haben.
Nach
der Freilegung des sogenannten
Badezimmers (Nr. 6) schrieb
Schliemanns Mitarbeiter Wilhelm
Dörpfeld:
„Wer
hätte geahnt, dass man jemals eins der Zimmer finden würde, in
welchen sich die Homerischen Helden gebadet und gesalbt haben
...” Seine
Begeisterung wäre gewiss noch gestiegen, hätte er auch das
Badezimmer
des sog. Palastes des Nestor in
Pylos gefunden, in dem sich eine komplett erhaltene
Terracotta-Wanne fand. Dörpfeld war sogar selber auf der Suche nach
diesem Palast und glaubte ihn 1907/08 in dem 60 km von Pylos
entfernten Kakóvatos gefunden zu haben (er
stellte sich jedoch später als ein frühmykenischer Palast aus dem
16.-15. Jh. v. Chr. heraus). – Der
Boden des „Badezimmers”
von Tíryns bestand nach
Dörpfeld aus einem „colossalen Kalksteinblock”,
der über 20.000 kg wiegen müsste und eine viereckige Abflussrinne
in einen Nebenraum hatte; die heute noch erkennbaren gebohrten
Löcher an den Rändern der Bodenplatte hätten „zur
Verbindung einer Wandbekleidung mit dem Fußboden” gedient (und
zudem wohl zur Befestigung einer Holzbank). Die Terrakottawanne, von
der sich nur Fragmente fanden, besaß seitliche Handgriffe
und war wie die gemauerte Wanne von Pylos innen mit spiralförmigen
Wellenmustern bemalt. Nach neueren Vermutungen diente der Raum
auch zu rituellen Waschungen vor dem Betreten des
königlichen Megarons.
Das
nach der Brandkatastrophe tempelähnlich
neuerbaute Zentralgebäude lag
im Bereich des letzten Megarons und erstreckte sich von dessen
Herdstelle über den Vorsaal bis zum Ende der in den Palasthof
zurückführenden Vorhalle. Schliemann und Dörpfeld hielten den Bau
wegen der langgestreckten Form und zweier Eingangsstufen für einen
spätantiken „Tempel”, und so wurde er denn auch bis um 2000
häufig bezeichnet. 1998
ließ Joseph Maran
die Reste der Holzpfosten dieses Säulenbaus einer C14-Datierung
unterziehen und fand das wahre Alter des auch als „Antenbau”
bezeichneten Gebäudes heraus. Er vermutete zudem, dass es nicht
wie das niedergebrannte Megaron das Zentrum einer Residenz war,
sondern eine Versammlungshalle für die Elite und den Herrscher,
der bei der nunmehr größeren sozialen Mobilität
nicht länger demselben Geschlecht entstammen musste.
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