Quellen: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a1/20090725_olympia21.jpg www.hotelroomsearch.net/im/city/olympia-greece-10.jpg www.frapanthers.com/teachers/white/images/day_04_olympia/d4_olympia_stadium.JPG https://media1.faz.net/ppmedia/aktuell/4103957370/1.1989243/default/spaeter-lohn-2004-unterlag.jpg www.ancient-greece.org/images/ancient-sites/olympia/large/22.jpg https://revgearsports.com/pankration-original-mma/
Den Tempelbezirk des Heiligen Hains (die Altis) betreten wir von der Nordseite des Kronoshügels her. An die 100 Besucher durchlaufen am heutigen Tag die Stätten. Wir gehen zunächst an der in den Hügel eingelassenen Schatzhaus-Terrasse entlang; die hier tempelähnlich erbauten Schatzhäuser von 14 griechischen Stadtstaaten und Kolonien enthielten Weihegeschenke an Zeus, darunter viele Beutewaffen. Von den meisten Schatzhäusern sind noch die Fundamente und andere Gebäudereste zu sehen, nur das jüngste und besterhaltene Schatzhaus von Sikyon (unweit Korinth) wurde nach Dörpfelds Befunden teilweise rekonstruiert.
Am Ende der Schatzhausterrasse erreichen wir das Stadion. Vor dem Gewölbegang ins Stadion reihen sich die Postamente der bronzenen Zeus-Statuen („Zanes”), auf denen die eingemeißelten Namen und Vergehen derer zu lesen waren, die bei den Wettbewerben des Betrugs oder der Bestechung überführt wurden; ebendiese Strafe erhielt ein gewisser Sarapion aus Alexandria, weil er am Vortag seines nächsten Kampfes vor seinem Gegner im Pankration geflohen war (diese brutale Kombination aus Boxen und Ringen, Vorläufer der vielleicht schon bald zu den Olympischen Spielen gehörenden MMA, wurde besonders für die militärische Ausbildung geschätzt; Spartas Könige und auch Philipp II. und sein Sohn Alexander hatten viele Pankratiasten in ihren Schlachtreihen, darunter Olympiasieger). Am Ende der 32 Meter langen überwölbten und damals von Erde bedeckten „Krypta” kamen die Athleten überdies noch an warnenden Statuetten der Nemesis vorbei.
Das im Lauf der Zeit mehrmals umgebaute Stadion fasste zwischen 10.000 und später wohl bis zu 45.000 Zuschauer, die sich auf den seitlichen Graswällen niederließen. Auf der Tribüne für die Kampfrichter („Hellanodiken”) nahm als einzige verheiratete Frau auch die Priesterin der Demeter Platz. Herakles selber soll die Länge der Laufstrecke im Stadion festgelegt haben, indem er den einen Fuß 600-mal vor den anderen setzte – welche Fußgröße! Gestartet wurde stehend in leicht vorgebeugter Haltung und mit meist vorgestreckten Armen, die Zehen des einen Fußes in die vordere und des anderen in die hintere Startrille gekrallt. Mithilfe des ausgeklügelten Seilsystems der „Hysplex” gab der Startrichter die Kordel für alle Läufer gleichzeitig frei; Fehlstarter erhielten einen Peitschenschlag. Die Zielrichtung lag immer westlich auf den Zeus-Altar hin, sodass für Disziplinen wie den Doppellauf, Lang- und Waffenlauf eine zweite Startschwelle auf der gegenüberliegenden Seite der Laufbahn angelegt wurde.
Während unseres Besuchs schauen wir mehrmals zu, wie Väter im spielerischen Wettlauf mit Sohn oder Tochter auf dem Lehmboden die 192 Meter bis zur Ziellinie ablaufen, durchweg im Tiefstart und in sakral verkehrter Laufrichtung. Für die männliche Jugend wurden bald ebenfalls olympische Wettkämpfe eingeführt, zunächst der immer am ersten Tag der Spiele stattfindende Wettlauf, in späteren Jahrhunderten außerdem Faust- und Ringkämpfe. Pindar besingt in vier seiner 14 Olympischen Oden Siege von Jugendlichen, darunter den Sprintsieg von Asopichos, den er zugleich dessen verstorbenem Vater widmet: „Zu dem schwarzummauerten Hause/ der Persephone gehe mir, Echo,/ bringend dem Vater die herrliche Botschaft,/ wie ... er mit des ruhmvollen Sieges Fittig/ kränzte sein jugendlich Haar” (so Wilhelm v. Humboldt in seiner Übersetzung der 14. Ode). Die weibliche Jugend konnte in Olympia wie an anderen Orten alle vier Jahre im Rahmen der Heraspiele (Heraia) an einem Stadionlauf – bei verkürzter Sprintstrecke – teilnehmen, der in Olympia wohl vor den Wettbewerben der Männer stattfand.
Alle Wettkämpfe außer den Wagenrennen wurden im Stadion ausgetragen. Beim Wagenrennen konnten auch Frauen Olympiasiegerinnen werden, denn als Gewinner dieser Rennen galten die Besitzer der Gespanne. Als erste Olympiasiegerin wurde so die spartanische Prinzessin Kyniska mit ihrem Fohlen-Vierergespann geehrt; ihren Sieg von 392 v. Chr. konnte sie vier Jahre später wiederholen. Das Hippodrom selber galt lange Zeit als vom Alpheios hinweggeschwemmt. Im Mai und Juni 2008 jedoch konnte südlich des Stadions die 200 Meter lange und für 24 Gespanne angelegte Rennbahn dank geophysikalischer Techniken (Georadar und -magnetik) von einer deutschen Forschergruppe wieder lokalisiert werden.
Vor der Schiedsrichtertribüne des Stadions fand 2004 das Kugelstoßen der Männer statt, die einzige Disziplin, die nach gut 1600 Jahren, nach dem Verbot der Spiele durch den christlichen Kaiser Theodosius I., wieder in Olympia selbst veranstaltet wurde. Dabei erlitt das Stadion Beschädigungen und darf gemäß IOC-Beschluss nicht mehr für weitere Wettbewerbe genutzt werden. Der Sieger Jurij Bilonoh wurde dank verfeinerter Dopingtestverfahren erst zwei Olympiaden später überführt und disqualifiziert; eine Zeus-Statue auf seine Kosten und mit seinem Namen auf dem Sockel musste er bislang noch nicht errichten.
Wir halten uns längere Zeit in dem Stadion auf. Als jugendlicher Leichtathlet hatte ich eine Zeitlang selber nebulöse olympische Ambitionen. Meine Lieblingsdisziplin freilich, den Weitsprung hätte ich in Olympia nur im Rahmen des – von Aristoteles hochgeschätzten – Fünfkampfes (Pentathlon) ausüben können und den Sprungstil komplett umstellen müssen, sprang man doch damals mit
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