Wir
verlassen Belém und nehmen die Metropolitano in Richtung des 1998
eröffneten Expogeländes. Die
Wände der neuen Metrostationen sind überwiegend mit modernen
Azulejo-Motiven verkleidet. Eine faszinierende Architektur erwartet
uns dann mit dem Ostbahnhof
(„Gare do Oriente”)
und
der angrenzenden ehemaligen Eingangshalle der EXPO (jetzig
ein Shoppingcenter). In dieser Halle mag man sich angesichts der
Wasserwellen in ihrer doppelverglasten Decke wie an der See
vorkommen, oder auch, beim Anblick einiger wie Gangways
schräg geneigten Verbindungsstege, wie in einem Schiffskörper,
zumal wenn dann von Zeit zu Zeit ein Schiffshorn ertönt.
Unter uns, etwas kleinlich und deplatziert, kommen noch einige nach
Art venezianischer Gondeln gestaltete Sitzbänke in den Blick.
Andere Gebäude nehmen in Form und auch Farbgebung ebenfalls die
Meeresthematik jener EXPO
(„Os
oceanos”)
auf.
Darüber hinaus hat der Architekt Santiago Calatrava die
Dachkonstruktion des höher gelegten Zugbahnhofs
mit
neogotischen Akzenten versehen: Pfeiler, die zu palmengleichen
Fächergewölben hochführen und so denen ähneln, die wir
heute Morgen für die Kirche Santa
Maria in Belém
bewundern
konnten.
Eigentlich
wollten wir zunächst zur Tiefsee-Ausstellung mit Haifischbecken,
doch die davorstehende Menschenschlange würde sich erst in gut
anderthalb Stunden, kurz vor Toresschluss, aufgelöst haben. So
durchstreifen wir nun einfach das weitläufige Territorium. Am
äußeren Geländesaum klirren hunderte von Mobiles; es sind an
Masten befestigte Segeltücher, deren unterer metallener
Haltering sie jeweils auf- und niedersausen und den heftigen
Seewindbewegungen folgen lässt. In einer Kabinengondel schweben
wir in bald 30 Meter Höhe gut einen Kilometer am Tejo-Ufer entlang,
mit Kurs auf den 145 Meter hohen „Vasco-da-Gama”-Aussichtsturm.
Seine Konstruktionsweise spielt auf Schiffsmast und
-bug sowie Segel und Aussichtskorb einer portugiesischen Karavelle
an. Wir benutzen den von Thyssen erbauten Aufzug; und müssen
uns oben, bei geschätzter Windstärke 10, am Geländer festhalten.
Unser Rundblick bleibt vor allem an der neuerbauten
Vasco-da-Gama-Brücke haften, die selbst Ozeanriesen die
Durchfahrt erlaubt. Auch kann man von hier aus gut erkennen, dass
diesseits des Tejo ein neues Stadtviertel entsteht (2013 hat es unter
dem Namen „Parque das Nações” den Status einer Lissabonner
Stadtgemeinde erhalten).
Schon
bei der Planung der auf einem verrotteten Industriegebiet angelegten
EXPO hatte man die Weiterverwendung der Gebäude nach der
Weltausstellung bedacht. So wurde an den Aussichtsturm ein
Luxushotel zum Tejo hin gebaut und der größte Pavillon zu einer
Mehrzweckarena umgestaltet; ein anderer Pavillon beherbergt nun ein
Spielcasino, ein weiterer ein Wissenschaftsmuseum, und
mehrere Ausstellungshallen bilden das Messezentrum „Feira
Internacional de Lisboa”.
Nach
der Rückfahrt zur Praça do Comércio nehmen wir dort eine der
orangefarbenen Fähren durch das „Strohmeer” hinüber zu der
Ortschaft Cacilhas
(im
Plan Nr. 14),
deren Werftkräne wir schon öfter vor Augen hatten. Über die
Bedeutung des Namens „Mar da Palha” ist man sich nicht einig, die
einen wollen es mit der Stroh- oder Goldfarbe des Tejos
besonders im Morgen- und Abendlicht erklären, die anderen nüchterner
mit der Masse der in diesem Mündungstrichter des Flusses sich
ansammelnden Pflanzenreste. Die Überfahrt dauert kaum eine
Viertelstunde. Etliche dieser Fähren sollen einst im Hamburger Hafen
genutzt und nach ihrer Ausmusterung hier wieder instand gesetzt
worden sein. – In Cacilhas gehen wir die Hauptstraße ein Stück
weit hügelan, biegen aber bald wieder zum Tejo zurück. Dort lassen
wir uns auf einer Bank nieder und erfreuen uns längere Zeit am
Anblick des jenseitigen Lissabon.