Quellen: www2.brevard.edu/freezeet/crete%20pics/Crete.htm www.gournia.org/tour-25.php www.gournia.org/tour-25.php https://en.wikipedia.org/wiki/Gournia#/media/File:M_ller_60freigestellt (gespiegelt) www.gournia.org/tour-11.php http://travelingclassroom.org/?p=258
So. 28.8.05: Den Rückweg nach Iráklio nehmen wir über den Isthmus zwischen Ierápetra und der Nordküste Kretas, wo wir im Golf von Mirambéllou bei der ehemaligen minoischen Hafenstadt Gourniá Halt machen. Dank ihrer Lage florierte die Stadt als Umschlagplatz für Waren, die auf dem relativ ungefährlichen Landweg zur Südküste transportiert werden konnten. Es ist die bislang einzige größere minoische Stadt, die man vollständig ausgegraben hat; wie andere minoische Städte wurde auch sie um 1450 v. Chr. vermutlich durch die mykenischen Eroberer zerstört. Der alte minoische Name ist wie üblich nicht überliefert, weshalb man die bei den umliegenden Bauern gebräuchliche Bezeichnung „Gourniá” (wohl nach dort gefundene Steintrögen) für den Siedlungshügel übernommen hat. Es war einer dieser Bauern, der außerdem antiquarisch interessiert war und so die 1901 in der Umgebung nach Relikten Ausschau haltende amerikanische Archäologin Harriet Boyd-Hawes zu dem Hügel führen konnte. Sie fand dort sogleich ebenfalls Tonscherben und Mauerreste und begann schon am nächsten Tag mit Probegrabungen. Zwischen 1901 und 1904 legte sie in drei Grabungskampagnen einen Großteil der Stadtschichten aus dem Mittel- und Spätminoikum sowie aus späterer mykenischer Zeit und außerdem (früh-)minoische Gräber frei. Harriet Boyd hatte sich also nicht mit der für Frauen üblichen archäologischen Laufbahn als Kuratorin oder Bibliothekarin bescheiden wollen, vielmehr konnte sie als erste Archäologin überhaupt selbständig eine größere Ausgrabung leiten.
Der in Sichtweite des Meeres liegende Siedlungshügel ist in drei Terrassen gestaffelt und für den heutigen Besucher, der von unten herantritt, für eine minoische Bauanlage wohl überraschend übersichtlich gegliedert. Von einer gepflasterten Ringstraße biegen Straßen und Gassen in die Stadtviertel ab, die bis an die Haustreppen heranreichen; vereinzelt haben sich noch Treppenstufen erhalten. Die zwei- bis dreistöckigen Häuser waren mitunter durch Fachwerk gegen Erdbeben gesichert und die kaum mehr als 5 qm großen Wohnräume in der Regel für Vorräte und Vieh unterkellert.
An teilweise brust- und übermannshohen Mauerresten vorbei steigen wir hoch zur Akropolis an der Westseite. Hier oben befanden sich die Magazine, ein kleines Theater und bei einem großen öffentlichen Hof das palastartige Zentralgebäude. Eine gut erhaltene repräsentative Treppenanlage führte zu dem mit Quadermauerwerk versehenen Gebäude hinauf. An der entgegengesetzten südlichen Seite dieses Zentralhofs grub man ein spätes mykenisches Herrschaftsgebäude mit größeren Räumlichkeiten und eben solchen Quadermauern aus, also am Rande der alten minoischen Siedlung und nicht wie in Agía Triáda über dem einstigen minoischen Villenpalast.
Die Ausgrabungen von Gourniá haben vor allem das Wissen um die alltäglichen Lebensbedingungen einer minoischen Siedlung erweitert. Hierzu gehören Informationen über Töpfer- und Metallwerkstätten, eine für astronomische Beobachtungen angelegte Veranda, die soziale Schichtung der einzelnen Haushalte, Anlagen zur Wasserzubereitung und nicht zuletzt das Hafengelände, auf das schon Harriet Boyd-Hawes gestoßen war. Dieser Bereich mit einer Hafenbefestigung und einer großen Schiffshalle wird erst in der jüngsten Vergangenheit näher erforscht.
Denn die Ausgrabung wurde erst seit den 1970er Jahren fortgesetzt. Während der letzten Kampagnen 2010-14 konnte man unter anderem Straßen, Gebäude und Grabstätten auch aus der Vorpalastzeit um 2000 v. Chr. freilegen und sich unterwasserarchäologisch den vor langer Zeit überfluteten Hafenbauten widmen.
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