Quellen:www.ierapetra.gr/images/portalimgs/ierapetrahome.jpg
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/8d/Ierapetra_R04.jpg
http://odysseus.culture.gr/h/4/eh430.jsp?obj_id=4745
Sa. 27.8.05:
In
Koutsounári liegt das uns fest zugesagte Fax des Reiseunternehmens
am Morgen noch nicht vor. Erneute Telefonate an der Rezeption jenes
Hotels bringen heraus, dass der Busfahrer die Kamera nach Iráklio
zurückgebracht habe und sie im dortigen Reisebüro abgeholt werden
könne. Nun, ohnehin wollten wir morgen noch ein zweites Mal das
AMI-Museum in Iráklio aufsuchen.
Wir
fahren bald auf der Küstenstraße zu der nicht weit entfernten
Kleinstadt Ierápetra,
vorbei an den vielen mit Plastikhäuten überzogenen Gewächshäusern und diesen
Stahlbetonskeletten, auf die man – was einst nur bei hohen
Inflationsraten üblich war – alle paar Jahre ein weiteres
Stockwerk aufsetzt oder sie nicht selten als Bauruinen einfach stehen
lassen muss. Ierápetra liegt an der schmalsten, nur 18 km von der
Nordküste entfernten Stelle Kretas und ist längst nicht mehr so
langweilig und verschlafen, wie ein Arbeitskollege die Stadt in
Erinnerung hatte. Inzwischen ist vor allem eine lange verlockende
Hafenpromenade mit angegliederter Fußgängerzone hinzugekommen.
So
schlendern denn auch wir zunächst entlang der Promenade und weiter
bis zum Molenkopf mit seinem massiven zweistöckigen Kastell.
Dessen Baugeschichte belegt ein andermal Kretas leidvolle
Okkupationserfahrungen: Die Befestigung wurde wohl erst im 9. oder
10. Jh. von Arabern angelegt, unter den Byzantinern mit einem Turm
versehen, zu Beginn des 13. Jh. von den Venezianern und später von
dem mit Genua verbündeten gräflichen Piraten Enrico Pescatore
ausgebaut; ihren heutigen Namen Kalés
erhielt
die 1669 ein weiteres Mal eroberte und erneuerte Wehranlage nach dem
türkischen Wort für eine Festung oder Bastion (kale).
Wir
durchstreifen danach die Altstadt und stoßen noch in Hafennähe auf
ein bezauberndes Bauensemble aus der Zeit der osmanischen
Oberherrschaft. Es ist dies die ehemalige Hauptmoschee
mit
einer dazugehörigen Brunnenanlage, die man wie auch das Minarett
restauriert hat. Doch wo nur blieb das für osmanische Minarette
typische Spitzkegeldach? Sollte es bei der einstigen Umwidmung der
Moschee in eine griechisch-orthodoxe Kirche geköpft worden sein?
P.S.
2016: Inzwischen
konnte man auch die Moschee restaurieren und zur Besichtigung
freigeben; in den Jahren zuvor war in ihr eine Musikschule
untergebracht.
Zuletzt
besuchen wir das anrührend kleine, in einem ehemaligen ottomanischen
Schulgebäude eingerichtete archäologische
Museum der
Stadt. Es kann unter anderem eine beeindruckende Sammlung
spätminoischer Larnakes vorweisen. Anders als der aus Gipsstein
gefertigte Sarkophag
von Agía Triáda
ist
die Larnax üblicherweise ein Tonsarg, dessen Wände meist ebenfalls
farbig bemalt und ornamental verziert wurden. Die verstorbene
Person war in der Larnax, die meist nur 50 cm bis einen Meter lang
war, normalerweise in der Hock- oder vielmehr Schlafhaltung
beigesetzt, vereinzelt fanden die Ausgräber eine Larnax mit mehreren
Beigesetzten oder auch mit den Gebeinen einer Gruppe. Die abgebildete
allseitig bemalte
Larnax stammt
aus einer Grabanlage bei Ierápetra und wird auf die Zeit um
1450-1400 v. Chr. datiert. Hauptmotiv der rot-schwarzen Bemalung
ist die kretische Bergziege (Kri-Kri), meist als säugende Geiß,
mitunter in einer Ziegengruppe oder geführt von einem Hirten. An der
Vorderseite des von einem Stierkopf gekrönten Sargdeckels ist ein
Oktopus mit enorm langen Fangarmen zu sehen, so auch – als Symbol
der Unterwelt? – an der einen Schmalseite des Sarkophags. Die
Darstellung von Menschen im Wagen und Boot mutet naiv und
stilisiert zugleich an, die meisten Personen scheinen die Arme in
Adorantenhaltung oder zur Klagegebärde erhoben zu haben.
Am
Nachmittag essen wir in einer angenehm luftigen Taverne an der
Promenade. Und sitzen am Abend in Koutsounári ein letztes Mal auf
dem Balkon mit Blick aufs Libysche Meer.
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