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AGÍA TRIÁDA. Oben: Fundort der „Schnittervase”; daneben Oberteil der Vase (rechts der Anführer der Gruppe) und außen Sänger und Musikanten
Darunter: Weibliche Figur auf einer Schaukel, sodann der „Prinzenbecher” und das Rhyton mit Faustkämpfern, Ringern und Stierspringern


Links: Lageplan der minoische Palastanlage („da-wa”/da-wo”) bei Agía Triáda; schwarz minoische und grün (von mir markiert) mykenische Bauten
Quellen: Michael Dahlhaus/Matthias Rasch, Kreta Reise-Handbuch (Dormagen 2002/03), S. 508   http://reise-zikaden.de/kreta-messara-phaistos-und-agia-triada-minoische-palaeste/ www.latsis-foundation.org/eng/electronic-library/the-museum-cycle/the-archaeological-mu­se­um-of-he­rakleion www.interkriti.org/crete_image_library/?keys=f3Findings%20f3Heraklion_Museum&cnty=&tofoto=1 www.interkriti.org/gallery/g11/agtriada_chieftain01.jpg   https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7e/Cretan_Rhyton.jpg www.lat­sis-foun­da­tion.­org/­eng/­elec­tro­nic-library/the-museum-cycle/the-archaeological-museum-of-herakleion


Kaum drei Kilometer von Phaistós entfernt liegt die minoische Villen- oder Palastanlage „Agía Triáda”, die um 1550 v. Chr. zu einem Verwaltungs- und Herrschaftssitz emporstieg, während Phaistós nur noch als religiöses Zentrum fungierte. Diese auch als „Große minoische Villa” bezeichnete Anlage war durch eine gepflasterte Straße mit Phaistós verbunden und diente womöglich eine Zeitlang als Sommerresidenz des dortigen Herrschers. Da der historische Name nicht überliefert ist, hat man Palast und Siedlung kurzerhand nach der benachbarten, beinahe drei Jahrtausende jüngeren byzantinischen Kirche aus dem 14. Jh. n. Chr. benannt! Forscher vermu­ten, dass die topographische Bezeichnung „da-wo”, die wie „pa-i-to” für Phaistós sich auf einem Linear-B-Täfelchen befand, für ebendiese Nachbarresidenz galt. Wäre es nicht an der Zeit, Palast und Siedlung entsprechend umzubenennen?

   Mit der Ausgrabung begann man 1903 unter der Leitung von Federico Halbherr und Luigi Pernier, dem späteren Ausgrabungsleiter von Knossos; nach Unterbrechung durch den 1. Weltkrieg wurde sie erst 1976 durch ita­lienische Archäologen fortgesetzt, die dabei nordöstlich der Siedlung auf eine Nekropole mit zwei Rundgräbern und einem Schachtgrab stießen; in dem kleineren der Tholosgräber fand man den auf der nächsten Seite ab­gebildeten berühmt gewordenen Sarkophag. – Von einer höhergelegenen schattigen Sitzbank aus verschaffen wir uns wie schon in Phaistós zunächst einen Überblick über die freigelegten Areale und durchlaufen und durchklettern sie dann vom Eingangsbereich beim Südhof (Nr. 3) her.

   Diese „südliche Raumgruppeweist mit ihren beiden rechtwinklig zueinander gesetzten Villenflügeln eine für minoische Paläste ungewöhnliche Form auf und besitzt anstelle eines Zentralhofes einen Süd- und Nordhof. Wie andere minoische Paläste wurde auch dieser Villenpalast um 1450 v. Chr. zerstört; auf den Ruinen der Magazinräume wurde jedenfalls 50 Jahre später das mykenische Megaron-Gebäude (Nr. 8) errichtet. Die Ausgrä­ber haben es konserviert, während ein hellenistisches Heiligtum des kretisch-jugendlichen Zeus („Zeus Velchanos”) im Nordhof zugunsten der darunterliegenden minoischen Gebäudereste (bei Nr. 15) abgetragen wurde. Auch das am südwestlichen Rande liegende Heiligtum (Nr. 2) ist mykenischen Ursprungs und wurde etliche Jahrhunderte später als hellenistischer Tempel genutzt.

   In den Räumen westlich vom kretischen Megaronbau fand man etliche der im AMI-Museum Iráklio ausgestellten minoischen Kostbarkeiten wie den „Prinzenbecher” aus schwarzem Speckstein; sein vorderes Relief zeigt einen bewaffneten jungen Mann, der – in einem Initiationsritus? – vor dem „Prinzen” oder Priester mit Kommando- oder Priesterstab Aufstellung genommen hat. Das ebenfalls aus Speckstein gefertigte „Boxerrhyton”, ein konisches Ritualgefäß, gibt auf vier Bandabschnitten Wettkampfszenen von Faustkämpfern, Ringern und auch Stierspringern wieder. Das Tonmodell der zwischen zwei Pfosten oder Bäumen schaukelnden weiblichen Figur wird wie üblich bei minoischen Kunstobjekten sehr divergent gedeutet, die einen betrachten das Schaukeln als rituellen Akt einer Priesterin oder Göttin, die anderen schlicht als das bekannte vergnügliche Spiel.

   Im Archivraum (Nr. 10) lagen Tonsiegel und östlich daneben 19 Kupferbarren (zu je einem „kretischen Talent” von 29 Kilo). Zu sehen sind von diesem Villenkomplex, der durch Brandspuren gezeichnet ist, weithin nur niedrige Mauerreste, einige Treppenläufe, Pfeilerbasen und Bodenplatten; leidlich erhalten ist der Raum mit Wandbänken und Wandverkleidungen aus Alabaster (Nr. 9), in dem man die „Schnittervase” entdeckte. Ihr Speckstein­relief zeigt wahrscheinlich einen Prozessionszug von bemützten Getreideschnittern, die ihre mit einer Zusatzklinge versehenen Dreizackgeräte geschultert haben und von einem älteren Mann in einer Art Schuppenpanzer angeführt werden. Beinahe karikaturhaft in ihrer Inbrunst gezeichnet sind die barhäuptigen Sänger, unter denen einer im Hintergrund einem brüllenden Löwen gleicht; ein vorangehender Sänger schüttelt ein Sistrum, ein aus Ägypten stammendes Rhythmusinstrument, das vielleicht durch ägyptische Saisonarbeiter auf Kreta bekannt wurde. Eine der interessanteren abweichenden Deutungen erkennt in der Szenerie eine von ihrem Haupt­mann an­geführte Soldatentruppe, die ihre dreizackigen Harpunen beim Nahkampf auf Schiffen einzusetzen pflegten.


Über eine breite lange Verbindungstreppe (Nr. 4) steigen wir sodann in den Zwischenbereich der „mittleren Raumgruppe” hinab, passieren die noch nicht recht verstandenen Ruinen der „Bastion” und treten in den wie­derum rechtwinklig zum letzten Villenkomplex ausgerichteten Nordbereich der Anlage. Diese „nördliche Raumgruppe” weist eine minoische und eine großenteils darüberliegende mykenische Siedlung auf, deren Märkte und Vorratslager noch relativ gut kenntlich sind; der minoische Markt ist der bislang einzige bekannte auf Kreta. Geteilt wird das Areal durch die älteste Agorá Griechenlands (Nr. 17, aus mykenischer Zeit); im Westen die­ses Marktes lagen die Häuser aus beiden Siedlungsepochen und auf der Seite östlich des gedeckten Säulengangs die mykenische Stoá (Nr. 18) mit ihren acht gleichförmig angelegten Läden.


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