Home
Impressum
RUTH FLEIGS GALERIE
SCHULKINDER MALEN
Bilderbuch Rob. Rabe
Kritzel-Kratzel
HORST FLEIGS TEXTE:
I  Philosophica
II  Reiseberichte
China Okt. 2011
Finnland Sept. 08
Andalusien Sept. 06
Kreta Aug. 05
Sizilien Aug. 03
Griechenland Aug. 01
Lissabon/Sintra 99
Ithaka 1997
Peloponnes 1997
Irland 1996
Schottland 1993
Rom bis Tivoli 1989
USA: 1980+1990+2000
KURZREISEN/TRIPS:
Marrakech 2015
Davos/Sils 2007
Leipzig Oktober 1995
Prag 2006 und 1987
Dresden, Breslau1997
Zentralspanien 1988
Wien, Budapest 1986
DDR (1987)
Mittelengland 1985
Trampfahrt 1963
III Zu Wim Wenders
IV Film und Kindheit
V Mitschüler/Schulen
VI GERMANISTICA




Links: Der Diskos von Phaistós (oben die zuerst gestempelte „A”-Seite)
Unten: Vergleich der Beschreibungen verschiedener Diskos-Hieroglyphen durch acht archäologische Experten


Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Diskos_von_Phaistos


Das faszinierendste Fundstück aber ist der 1908 in einem ehemaligen Archiv des älteren Palastbereichs entdeckte Diskos von Phaistós, den wir ebenfalls schon im AMI-Museum von Iráklio in einer Sondervitrine betrachten konnten. Wegen seiner beweglichen Lettern (Stempel) gilt er seit langem als das womöglich älteste Druckwerk der Menschheit. Datiert wird er in der neueren Forschung öfter auf die mittel- bis spät­mi­no­ische Periode zwischen 1850-1550 v. Chr. Der Knossos-Entdecker Arthur Evans vermutete Kleinasien als Herkunftsregion dieser Zeichen, zumal man die Stempel selber nicht in Phaistós auffinden konn­te. Evans stellte die seitdem auch von etlichen anderen Archäologen vertretene Hypothese auf, dass diese beidseitig gestempelte und dann gebrannte Scheibe eine Hymne an eine Gottheit enthalte – mög­li­cher­weise an die minoische Schlangengöttin.

   Die 45 unterschiedlichen, spiralförmig in die feuchte und später gebrannte Tonscheibe gestempelten Hieroglyphen hat man allerdings noch nicht zweifelsfrei entschlüsseln können. Über die Stempelrichtung herrscht mittlerweile weithin Einigkeit, nämlich vom Rand zum Zentrum hin. Die Leserichtung jedoch ist immer noch umstritten; meist setzt man auch sie als vom äußeren Rand zum Zentrum hin verlaufend an. Ei­ne schlichte Überlegung aber spricht dagegen: Sofern man die bei aller piktographischen Abstraktion noch gut kenntliche „realistische” Bindung an Dinge und Lebewesen ernst nimmt, wird man – wie es schon Ar­thur Evans und Luigi Pernier taten – vor allem die Lauf- und Blickrichtung der Menschen und Tiere und auch die Richtung etwa der (Pfeil-)Spitzen beachten und sehen, dass fast alle vom Spiralenzentrum her rechts­läu­fig zum Rand hin gerichtet sind.

    Im Unterschied zu diesen eher narrativ gehaltenen Deutungsansätzen setzen andere die Diskos-Hieroglyphen primär als Zahlensymbole an und interpretieren sie etwa als astronomische oder auch as­tro­lo­gi­sche Daten. Und nicht zuletzt sind da zunehmend Stimmen, die das Ganze für ein Nonsense-Späßchen oder auch schlicht für eine Fälschung halten. Letzteres wurde sogar dem Grabungsleiter Luigi Per­nier un­ter­stellt und jüngst in einem populärwissenschaftlichen Dokumentarfilm ausgebreitet. Pernier war übrigens an jenem Juliabend 1908 gar nicht anwesend in der fraglichen „Kammer 8” des altpalastzeitlichen Nordosttrakts, aus der ihm Arbeiter diese Tonscheibe mit der Behauptung brachten, sie dort neben einem zerbrochenen Linear-A-Täfelchen und Abfallresten gefunden zu haben. Der Hauptverdacht richtet sich gegen seine beiden wichtigsten Mitarbeiter, die Schweizer Maler und Restauratoren Emile Gilliéron sen. und jun., die schon wegen ihrer oft willkürlichen Rekonstruktionen und Reproduktionen von Knossos nicht den besten Ruf hatten.

   Sicherlich könnte eine naturwissenschaftliche Materialprobe die Herstellungszeit der Scheibe festlegen, doch sperrt sich bislang das zuständige AMI-Museum Iráklio dagegen. Selbst eine 2008 an die griechische Re­gie­rung gerichtete Petition von Teilnehmern einer internationalen Konferenz zum Phaistós-Diskos, die für eine Thermolumineszenz-Datierung plädierte, blieb bislang unerhört. Man muss daher annehmen, dass die für Kreta Verantwortlichen – auch aus guten, der archäologischen Weiterarbeit förderlichen finanziellen Gründen – den stärksten Publikumsmagneten des Museums nicht verlieren wollen und in Kauf nehmen, dass wei­ter­hin Hundertschaften von Hobbyforschern ihre Zeit mit der Enträtselung des gefälschten Diskos vergeuden. Hinsichtlich der Echtheits- und Wahrheitsfrage dürfte freilich ein waschechter Kreter ohne­hin kaum Skrupel haben, schließlich haben wir es hier ja mit Phaistós zu tun, der Geburtsstadt des Epimenides.

   Selbstverständlich ginge es auch anders; so wurde die Himmelsscheibe von Nebra im Berliner Teilchenbeschleuniger „Bessy” hinsichtlich der Herkunft ihrer Goldauflagen materialschonend untersucht und hat die­se Prüfung bestanden (das Gold stammt aus einem Fluss in Cornwall). Und sogar die fragile Büste der Nofretete hat man diversen Materialuntersuchungen unterzogen und 2006 ein zweites Mal in einem Computertomographen der Charité durchleuchtet; dabei stellte sich heraus, dass unter dem sichtbaren Antlitz womöglich eine Gipsschicht mit einer Vorgestaltung des Gesichts liegt.

   Solange aber für den Diskos von Phaistós noch archäometrische Materialanalysen verweigert werden, sollte man dieses neue minoische Labyrinth meiden und die Sache auf sich beruhen lassen.


- 13 -

ZurückWeiter
Top
http://www.fleig-fleig.de/