Am
Morgen fahren wir zunächst zu den nur wenige Kilometer entfernten
minoischen Palastruinen
von Phaistós/Festós.
Der erste Herrscher dieser nach Knossos
bedeutendsten
minoischen Palastanlagen war der Sage nach Rhadamanthys, der
später wie seine Brüder Minos und Sarpedon von Hades als
Totenrichter in die Unterwelt gerufen wurde. Aus Phaistós soll auch
Epimenides stammen, dieser aus langjährigem magischen Schlaf als
Seher Erwachte und Urheber des amüsanten, als Wahrheitsbehauptung
schwerlich zu entscheidenden Kretischen Paradoxons („Epimenides der
Kreter sagte: 'Alle Kreter sind Lügner'“).
Die
1900 von italienischen Archäologen auf einem Höhenrücken der
Messará-Ebene begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Grabungen
konnten bislang zeigen, dass neben und teilweise über einem um 2000
v. Chr. erbauten und wie die anderen kretischen Paläste um 1700
durch ein Erdbeben zerstörten Palast ein neuer gesetzt wurde. Wie
fast alle anderen minoischen Herrschaftsgebäude wurde auch dieses um
1450 v. Chr. abermals zerstört,
diesmal wohl durch Brandschatzung
der mykenischen Eroberer Kretas.
Es haben sich in Phaistós außerdem noch Spuren späterer
griechischer Eroberer erhalten. In der „archaischen” Periode
hatte man im 7. Jh. v. Chr. einen Tempel vermutlich für Zeus’
göttliche Mutter Rhea errichtet; seine Ruinen liegen am Südrand der
Palastanlagen auf einem tieferen Geländeniveau. Die meisten Relikte
vor allem von Häusern und Straßen im nördlichen Areal stammen aus
der späteren „hellenistischen” Periode (um 336–146 v. Chr.);
vieles davon wurden nach der Freilegung zugunsten der
darunterliegenden minoischen Bauten beiseite geschafft. – Nach dem
2. Weltkrieg stießen die italienischen Ausgräber von Phaistós noch
auf „Vorgängerbauten”
all
dieser Anlagen.
Vor
dem Betreten der Anlage sollte man sich die Zeit nehmen, sie vom
hochgelegenen Eingangsbereich her näher in Augenschein zu nehmen
(das Photo oben links wurde von dort aus geschossen). Beim
Durchschreiten der Ruinen bieten dann zwei rechtwinklig
zueinander liegende Treppenanlagen den wohl imposantesten Anblick,
die zwölfstufige des Neuen Palastes (siehe oben) und die breitere
neunstufige „Schautreppe” (eine Stufentribüne) des Alten
Palastes, die für Prozessionen vorgesehen war; geradezu erhaben wird der
Anblick dieser Treppen, wenn man aus aus dem übermannshohen massiven
Mauerwerk enger Korridore und Passagen wieder heraustritt. Wie in
Mália
und nachher in Agía Triáda werden den Besuchern leider auch
hier an Ort und Stelle kaum einmal Erläuterungen etwa auf
Informationstafeln zu Alter und Funktion der einzelnen Stätten sowie
zu ihren Fundstücken angeboten, geschweige denn ein Leitsystem.
Einige der kostbarsten Funde von Phaistós sahen wir schon im
AMI-Museum von Iráklio, darunter Keramik
im Kamares-Stil.
Benannt wurden diese auf schwarzem Grund oft mit roten und weißen
Spiralen- oder Girlandenmustern verzierten Tongefäße nach
einer Fundhöhle oberhalb des Dorfes Kamares, knapp 20 Kilometer
entfernt von Phaistós.