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Sonntag, d. 17.8.97:
Eine
der kleinen Buchten, die wir vorgestern auf dem Weg nach Kióni
erspäht hatten, hat auch uns endlich einmal zum Baden verführen
können. Es ist ein Kiesstrand, weshalb wir bis zum
smaragdgrünen Saum des Wassers lieber auf
Badeschuhen gehen; sie lassen sich dann auch als tüchtige
Hilfsflossen nutzen. Einige ältere Männer
laufen gemächlich auf und ab, bis sie sich wieder mit
erstaunlicher Ausdauer dem Schwimmen hingeben.
In unserer Nähe betreut eine junge
energische Frau zusammen mit einer asiatischen Jugendlichen
eine Kindergruppe. Alle schnorcheln im Wasser, bis auf den
Kleinsten, einen ungefähr Vierjährigen,
der sich nur behutsam benetzt und dann still und mit zartem
zufriedenem Sinn den anderen zusieht. Erst nach
zwei Stunden geht uns auf, dass wir uns statt mit
Sonnenschutzöl versehentlich
mit einem „Sonnenöl für danach”
eingerieben haben. So darf ich mir später zum
ersten Mal nach Jahrzehnten wieder nach einem
veritablen Sonnenbrand die hauchdünne
oberste Hautschicht abziehen.
Beim
nachmittäglichen Ausflug in die Umgebung von Fríkes kommen wir an
einigen Gebäuden vorbei, die nach dem Erdbeben
vom August 1953
aufgegeben
wurden. Inmitten der meist terrassierten
Gartenanlagen liegt das eine oder andere da, als erwartete
es nur den Zeitpunkt seines Neuaufbaus. Das enorme
Erdbeben mit der Magnitude 7,2 auf der
Richterskala hatte Ithaka wie die weit größere Nachbarinsel
Kefalonia um ein bis zwei Fuß angehoben und hier wie
auf anderen Ionischen Inseln die meisten
historischen Gebäude zerstört. Auf den Inseln waren
annähernd 600 Tote zu beklagen, und Tausende wanderten
danach aus. Die Einwohnerzahl ging aber nicht, wie oft zu
lesen, erst seit 1953 drastisch zurück. Hatte Ithaka
bei Schliemanns Besuch 1868 noch über 13.000 und zu Beginn des
20. Jh. an die 10.000 Bewohner, so waren vor dem Erdbeben
von 1953 nur noch rund 7000 verblieben; bis in die 1990er Jahre
schrumpfte die Bevölkerungszahl
sukzessive durch weitere Auswanderungen
insbesondere nach Australien, Südafrika und
Nordamerika auf 2500. – Gegenwärtig (2019) zählt
Ithaka wieder ungefähr 3500 Einwohner.
Seit
jenem Erdbeben müssen die Gebäude strengeren Sicherheitsnormen
genügen und ist nur noch eine Höhe von bis zu zwei
Stockwerken erlaubt (was aber sophistisch dadurch unterlaufen werden
konnte, dass die Stockwerke aus der Ansicht von der Straße
her gezählt wurden und man somit in Hügellage faktisch
mehrstöckige Häuser errichten durfte). Beim
Anblick des im Januar 2014 durch ein neues schweres Erdbeben
beschädigten Glockenturms im Dorf Kourkoulata
erinnerten sich viele an die seit 1953 in Griechenland allbekannte Zuschlagsmarke mit dem Glockenturm der Faneroméni-Kirche
in Zakynthos-Stadt.
Ständig begleitet
uns nun der Schrillgesang
von Zikaden, dem
wir bei
der Einfahrt in die Bucht von Vathy
lauschten
und deren Sänger wir vorgestern
früh mit einiger Beklemmung zu Gesicht bekommen hatten:
Als wir uns neben der steil ansteigenden Straße
nach Stavrós einige Zeit lang auf die niedrige Randmauer
setzten, entdeckten wir drei uns unbekannte
Insekten, die gewissen Grillen ähnelten. Sie schienen
ausgeweidet zu sein, doch waren die Füßchen
fest in die Borke verkrallt. Wir fragten uns, ob es
wohl Schlupfwespen wären, die ein Vogel oder eine Katze
überrascht hätte? Wenig später bei der
Odysseus-Büste in Stavrós ging uns auf, dass es die
leeren Hüllen (Exuvien) geschlüpfter
Singzikaden waren. Denn hier konnten wir an den Baumstämmen
etliche dieser Sänger in vivo näher
betrachten und auch feststellen, dass sie dank ihrer
Farbanpassung an die grünbraune Rinde vorzüglich
getarnt sind.
Beim
Abendessen am Hafen von Fríkes schauen wir ein
andermal Gebirgsziegen zu, die vom nördlichen
Berghügel heruntergesprungen kommen
und an einer abgelegenen Stelle der Bucht
aus dem Meer trinken. Eine Segelschulflotte
trifft ein, deren Nachzügler noch im Dunkeln
über Lautsprecher eingewiesen werden. Diese
abendliche maritime Lebensweise bleibt uns
fremd, ob im Hafen angetäut oder weiter draußen vor
Anker, als einsame Stallwache oder, wie heute bei
einer deutschen Luxusyacht zu sehen,
inmitten der komplett zurückgebliebenen Crew.
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