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ITHAKA
„Brichst du auf gen Ithaka,/ so wünsch dir eine lange Fahrt,/ voller Abenteuer und Erkenntnisse.
<...> Den Lästrygonen und Zyklopen,/ dem wütenden Poseidon wirst du nicht begegnen,
falls du sie nicht in deiner Seele mit dir trägst,/ falls deine Seele sie nicht vor dir aufbaut.
<...> Stets
halte Ithaka im Sinn./Dort
anzukommen ist dir vorbestimmt.
Jedoch
beeile deine Reise nicht./ Besser ist,
sie dauere viele Jahre;
und alt
geworden lege auf der Insel an,/nun reich an dem, was du auf deiner Fahrt
gewannst".
Konstantínos Kaváfis (1911)
Donnerstag,
d. 14.8.97:
Als
wir den Frühstückssaal neben dem Foyer betreten, treffen
uns erstaunte Blicke und eilt sogleich jener Kellner auf
uns zu: Wir sollten uns doch lieber ins große Restaurant
jenseits der Straße begeben, da gebe es ein besseres
Frühstücksangebot als dieses hier für polnische Gäste
bestimmte! Wir beschließen spontan, zu
bleiben, woraufhin der verlegene
Mann mein gastronomisches Missgeschick beim gestrigen
Abendessen zu beklagen beginnt. Das
Frühstück ist übrigens in Ordnung, nur den
Orangensaft missen wir hier.
Gegen
11 Uhr holt uns jemand im Jeep ab und bringt uns, vorbei an kleinen
Ziegenherden und vereinzelten
Wildschweinen oder auch verwilderten
Schweinen, nach
Pátras zur Fähre. Wir
finden nur noch Plätze in einem gangartigen Abteil, allerdings
mit Airconditioning. Wenig später hebt ein
wortgewaltiger Streit zwischen zwei griechischen
Matronen an, von denen die eine für kurz ihren
Platz verlassen hatte und ihn danach belegt vorfand. Die
Männer wenden sich von der Szene ab; sie scheinen
hier übrigens stämmiger als die im benachbarten Italien
zu sein.
Welch Entzücken
dann, als ich auf halbem Wege nach Ithaka ans Heck trete und den
frisch gepflügten türkis- bis smaragdgrünen Wasserstreifen
in der königsblauen See erblicke! An
der schroffen Südwestküste Ithakas vorbei fahren wir zunächst
Sami an, den Haupthafen von Kefalonia. Als die Fähre
sich dieser Insel nähert, erhebt sich auf einmal ein uns
noch fremder schriller rhythmischer Gesang – wie
von „Sirenen”, so Ruth. Etliche Passagiere
laufen zur Reling und lauschen, bis dieser vom Ufer
herüberkommende Gesang nach einigen Fahrtminuten verklungen
ist. Es waren Singzikaden,
die wir auf Ithaka auch
zu Gesicht bekommen werden.
An
die 90 Prozent der Fahrgäste verlassen in Sami das Schiff, nur
eine Handvoll kommt hinzu. Nach einer halben Stunde Warte-
und Reinigungszeit legt die Fähre wieder ab und
biegt nach zwei weiteren Fahrtstunden endlich in die
liebliche
Bucht von Vathy ein.
In ihrer Mitte liegt das bewaldete
,Lazareto’-Inselchen,
auf dem sich im 19. Jh. eine Quarantänestation
befand, die während des 1. Weltkrieges zu einem
Gefängnis für Kriegsgefangene
umgebaut wurde. Byron soll während seines
dreitägigen Ithaka-Besuchs 1823 täglich dorthin geschwommen sein
und Schliemann es ihm in der Zeit seiner
Grabungskampagnen 1868 und 1878 nachgemacht
haben.
Der
englische Lord, so geht aus Äußerungen nach seinem ersten
Kurzbesuch auf Ithaka 1810 hervor, hätte die Insel am liebsten
gekauft – wofür wohl erst Schliemann, der allerdings
knauserig war, Geld und Zeit gehabt hätte. Bald nach
seinem zweiten Besuch Ithakas im August 1823 musste Byron sein
englisches Anwesen verkaufen, um mit dem Erlös den
griechischen Freiheitskampf gegen die Türken zu unterstützen.
Kurz vor dem geplanten Angriff der von ihm geführten Truppen
auf die türkische Festung
Lepanto verstarb
er im April 1824 in Mesolongi an Malaria.
Die
Anlegestelle der Fähre liegt nur wenige Meter vor der
Hafenpromenade, und alsbald erblicken wir in der Menge ein
Schild mit der großen Aufschrift „2 x FLEIG”, das der
uns angekündigte Taxifahrer in die Höhe
streckt.
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