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Wir verlassen das Heiligtum von Díon und fahren auf der Autobahn A 1 weiter nach Vólos. Nach kaum einer halben Stunde nähern wir uns dem von alters her hochgepriesenen thessalischen Tempe-Tal, wo der Peneiós zwischen Olymp und Ossa durchbricht. Erwartungsvoll halten wir eine Zeitlang nach einer ausgeschilderten Abfahrt Ausschau, vergeblich, denn die Autobahn selbst ist es, die man – nun verengt – durch dieses ungefähr 8 km lange Tal hindurchgeführt hat! Bei der ersten Gelegenheit wenden wir und kommen auf einer Nebenstraße näher an den Peneiós heran. Zweimal gehen wir zu dem hier grünlich schimmernden Fluss hinunter, werden aber jedes Mal nach kurzer Zeit durch die seit Langem hier liegenden diversen Hinterlassenschaften der Besucher zurückgetrieben – kaum anders als bei dem Mülldesaster am oberen Peneiós.
Beim zweiten Mal bekamen wir auch die heilige Quelle der Peneiós-Tochter Daphne zu Gesicht. Von der Nebenstraße her führt eine Hängebrücke über den Fluss zur Quelle und zu einer griechisch-orthodoxen Höhlenkirche hin, die man wie so oft als Bann- oder Gegenzauber ihr gegenüber erbaut und sogar mit einer eigenen heilkräftigen Quelle ausgestattet hat.
Dem Mythos zufolge musste Apollon nach der Tötung des delphischen Pythondrachens zu seiner Entsühnung eine Zeitlang im Tempe-Tal verbringen. Der von Apoll verspottete Amor entfachte hier seine nicht zu erwidernde Liebe zur Nymphe Daphne, die in ihrer Bedrängnis den väterlichen Flussgott um Hilfe anflehte und bei Apolls Nahen in einen Lorbeerbaum (= „Dáphne”) verwandelt wurde. Der Musengott bekam so nur noch nur einige Blätter zu fassen; in Delphi aber erhob er den Lorbeer zu seiner heiligen Pflanze und bekränzte damit sein Haar sowie seine Kithara; auch ließ sich seine Orakelpriesterin Pythía durch das Kauen von Lorbeerblätter in Trance versetzen. Alle acht Jahre richtete man später eine Prozession zu dem 200 Kilometer entfernten Heiligtum der Daphne aus und brachte von dorther Lorbeerzweige für die Sieger der Pythischen Spiele von Delphi mit.
Schon in der Antike bildete sich eine bukolisch-idyllische Verklärung des Tempe-Tals vor allem durch Horaz und Vergil heraus; Dichtern und Künstlern der Renaissance und noch des Rokoko galt das Tal wie auch Arkadien oder Kýthera erneut als Sehnsuchtsort des Menschen, und erst bei den Reisenden des frühen 19. Jh. stellte sich vor Ort eine gehörige Ernüchterung ein.
Eine gute Stunde später treffen wir in Vólos ein, der größten Hafenstadt Thessaliens und Nachfolgerin der antiken Königsstadt Iolkós. Dem Mythos nach segelte von hier aus Iason an der Seite von 50 der kampfstärksten Griechen auf der pfeilschnellen „Argo” los, um im Auftrag seines tückischen Onkels aus Kolchis am Schwarzen Meer das von einem Drachen bewachte Fell des Goldenen Widders nach Iolkós zu bringen. In Vólos hält man durch etliche (Straßen-)Namen, Abbildungen, Skulpturen und Schiffsmodelle die Erinnerung an dieses Abenteuer wach.
Das von uns in Hafennähe für zwei Übernachtungen gebuchte Art-Nouveau-Hotel „Aegli” fällt als das einzige der B-Kategorie deutlicher als erwartet von den A-Hotels ab. Mit dem im Angebot zu lesenden „großzügigen Zimmer” könnte die Zimmerhöhe von annähernd fünf Metern gemeint sein, im Übrigen finden wir nur einen Stuhl vor und draußen einen winzigen, immerhin auf die Hafenpromenade hinausführenden Balkon. Es sieht so aus, als hätte man das ehemals sicherlich interessante Hotelgebäude sukzessive reduziert und ganze Stockwerke als Geschäftsräume verkauft oder vermietet. Ob die rustikalen Männer an der Rezeption es wieder hochbringen können?
Postskript 2020: In den letzten Jahren wurde das Hotel unter der Leitung einer Managerin sukzessive restauriert und auch das Mobiliar wieder aufs Niveau gebracht. – 2012 startete in Vólos ein mit 50 Mann besetztes Ruderschiff (der Nachbau einer Pentekontere) mit dem Namen „Argo” zu einer 1200 Seemeilen langen Reise durch Europa. Ursprünglich wollten die Ruderer den Weg nach Kolchis (im heutigen Georgien) wiederholen, doch untersagten die türkischen Behörden die als „zu gefährlich” deklarierte Einfahrt ins Schwarze Meer.
Das Treiben an der langen Hafenpromenade „Argonáfton” ist heute Abend angenehm beschaulich. Nach dem Abendessen setzen wir uns in Hotelnähe noch zu Ouzo und Bier in ein Café-Restaurant nebenan. Auf die uns kredenzten Extras scheinen zwei neben uns sitzende ältere Damen neidische Blicke zu werfen. Ein Musikus kommt mit einem Mädchen vorbei, das dann charmant das Honorar einsammelt. Kaum haben wir uns schließlich erhoben, belegt schon ein Mann unsere beiden Plätze in dieser ersten Reihe.
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