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Links: „Der weiße Turm” auf einer dramatisch kolorierten alten Postkarte; darunter im Januar 2019 (mit dem „Königlichen Theater” im Hintergrund)


 


Ruinen des Forum Romanum in der Unterstadt; unten die Bögen des Kryptoportikus und rechts das restaurierte Odeon. – Daneben ein Teilstück des Kryptoportikus
Quellen: www.saloniki.org/gallery/files/img/431.jpg   www.kastra.eu/pics/lefkos_pyrgos.jpg   https://foto.wuestenigel.com/wp-content/uploads/api/das-romische-forum-und-die-agora-in-thessaloniki.jpeg
https://i.pinimg.com/originals/26/f9/9d/26f99d53d469bd296c278f3e1b3bd04c.jpg
 

Am Abend spazieren wir noch entlang der Hafenpromenade bis zum Weißen Turm. Bekannt wurde der zur Hafenbefestigung gehörende Rundturm mit dem aufgesetzten Türmchen auch als Blutturm”, nach­dem viele Führer der revoltierenden Janitscharen in ihm gefangengesetzt und dort 1826 auf Anweisung von Sultan Mahmud II. enthauptet worden waren. Diese Mitte des 14. Jh. aufgestellte Eli­te­trup­pe, die sich anfänglich nur aus gefangenen und dann konvertierten Christen zusammensetzte, wurde noch im selben Jahre aufgelöst. Auslöser der Massaker, denen insgesamt an die zehntausend Ja­ni­t­scha­ren zum Opfer gefallen sein sollen, waren ihre Verstrickungen mit einem der Häresie bezichtigten Derwischorden; der eigentliche Beweggrund war die Notwendigkeit, statt des mittlerweile in­ef­fi­zi­en­ten und korrupten Janitscharen-Korps eine militärische Ausbildung nach europäischem Muster einzurichten.

   Zu der Umbenennung in „Weißen Turm” („Léfkos Pírgos”) existieren zwei Versionen. Nach der einen sollen die Griechen ihn nach Rückeroberung der Stadt 1912 mit weißem Kalk übertüncht haben; nach der anderen war es ein jüdischer Sträfling, der schon in den 1880er Jahren gegen Straferlass die blutgefärbten Turmwände reinigte, da das Aussehen und der alte Namen des Turms dem Sultan peinlich ge­wor­den wäre. Bis zu Beginn der 1980er Jahre war er zur Luftverteidigung der Stadt eingerichtet und diente danach vor allem als Museum für die Stadtgeschichte. Das hinter dem Turm zu sehende „Kö­nig­li­che Theater” wurde 1940 erbaut und von 1941 bis 1944 gern von Wehrmachtsangehörigen besucht.

   An der Hafenpromenade liegen schätzungsweise zwei Dutzend Cafés und Tavernen nebeneinander, die fast nur von Jugendlichen aufgesucht werden, darunter sicherlich von vielen der über 80.000 Stu­den­ten der Aristoteles-Universität, der größten Griechenlands. Erst auf dem Rückweg zum Hotel begegnen wir unmittelbar vor dem Aristotélous-Platz auch Grüppchen älterer Leute. Wir lassen uns noch in ei­nem Café-Restaurant am Rande des Platzes nieder. Ein allein dasitzendes Mädchen, dessen Mutter sicherlich in dem Café arbeitet, redet eine Dreiviertelstunde lang auf ihre Püppchen ein.

 

Di. 21.8.01:

Den Mietwagen lassen wir in der Tiefgarage des Hotels und suchen noch einmal  die Märkte bei der Odós Ermoú auf. Vieles in dem bunten Angebot ist uns unbekannt, und seien es nur bestimmte Oli­ven­sor­ten. Wir gehen weiter und kommen bald zu den Ruinen des Forum Romanum. Es wurde erst 1966 bei Bauarbeiten für ein Parkhaus entdeckt und bislang wegen der modernen Überbauungen nur teil­wei­se freigelegt.

   Die Römer erbauten es vermutlich in der Mitte des 3. Jh. über einem früheren Forum. Es war nun rechteckig und von drei Seiten von Säulenhallen umgeben, besaß ein Stadtarchiv, eine Bibliothek und au­ßer einer Badeanlage auch ein bis ins 6. Jh. genutztes Odeon. Dieses wird nach seiner Restauration seit 1997 wieder für theatralische und andere Veranstaltungen genutzt.

   Am Südende des Forum lag ein langgestreckter Kryptoportikus, ein tieferliegender und weithin unterirdischer Gewölbekomplex mit Geschäften und Lagerräumen. Seine Bögen waren mit Lichtöffnungen ver­se­hen. In jüngster Zeit wurde auch dieser Komplex für (Kunst-)Ausstellungen eingerichtet.

    Beim Eingang des Forum befand sich eine zweistöckige Kolonnade mit acht Relieffiguren, die von den spanischstämmigen jüdischen Bewohnern dieses Viertels nach einer populären Fabel als „Las In­can­ta­das” („Die Verzauberten”) bezeichnet wurden. Es waren dies marmorne Hochreliefs mythologischer Figuren wie Dionysos, Leda und Ariadne. Mit Erlaubnis des Sultans ließ der französische Gräzist und Paläograph Emmanuel Miller 1864 die oberen vier Pfeiler mit den auf jeder Vorder- und Rückseite angebrachten acht Karyatiden demontieren und nach Paris verbringen, wo sie nun im Karyatidensaal des Louvre zu sehen sind. Die osmanischen Behörden waren ja bei der Deportation griechischer Kulturgüter ins Ausland über die Maßen großzügig, vor allem bei Thomas Elgins Plünderungen der Athener Akró­po­lis und des sog. Schatzhauses des Atreus in Mykéne. – P.S. 2020: 2015 ließ die Stadt Thessaloníki in der Werkstatt des Louvre Repliken der leicht überlebensgroßen Karyatiden anfertigen und sie dann in der Vorhalle des Archäologischen Museums Thessaloníki ausstellen.

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