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Links oben: Breslaus Sandinsel mit der alten Universitätsbibliothek


Oben: Der Weg von der Kaiserbrücke über die Kaiserstraße zur Jahrhunderthalle von Breslau





Links unten: Ruth an der Seite ihrer Mutter und ihres Bruders Dieter vor der Jahrhunderthalle (1943)
Bildquellen: Google Maps   Privatfoto


Wir fahren danach zu der Große Markthalle („Hala Targowa“) Breslaus, die gleich südlich der Oder liegt. Außer Lebensmitteln findet man in dem neogotisch verkleideten zweigeschossigen Gebäude ein besonders großzügiges Blumen-, Obst- und Gemüseangebot sowie Textilien vor, auch ist die eine oder andere Sitzecke beinahe wohnlich eingerichtet. Beim nördlichen Austritt aus den Hallen liegt die Sandbrücke vor uns, die auf die Sandinsel hinüber führt. Wir gehen hier ein Stück weit bis zur alten Universitätsbibliothek, die 1945 von dem deutschen Verteidigungsstab Breslaus in Beschlag genom­men wurde. Ungefähr anderthalb Kilometer weiter östlich liegt die Kaiserbrücke, an deren rechten Oderufer die deutschen Verteidiger der Stadt auf der langen und breiten Kaiserstraße noch im März 1945 einen provisorischen Flugplatz anlegen ließen. Unter ständigem russischen Beschuss kostete er das Leben von tausenden Zwangsarbeitern und ihren freiwilligen Helfern (darunter Jungen ab 10 und Mädchen ab 12 Jahren). Nur ein Flugzeug konnte wahrscheinlich noch abheben, der Fieseler Storch des fahnenflüchtigen Gauleiters und Kampfkommandanten Hanke. In den Kämpfen sollen 6.200 deutsche und 13.000 russische Soldaten gefallen sein, während die Zahlenangaben für die getöteten Zivilisten krass zwischen 20.000 und 170.000 schwanken.

   Auf der Brücke werden soeben Ausbesserungsarbeiten durchgeführt. Passanten umlaufen die Arbeiter und einen kleinen Bagger, der in dem Durcheinander sogar rückwärts rangiert. Ein Arbeiter kratzt mit einem großen Esslöffel einen Rinnstein frei; überall fehlt es an modernen Maschinen, sogar an Presslufthämmern: Ein anderer Arbeiter hockt mit einem Fäustling da und zerschlägt Stückchen für Stückchen den alten steinharten Asphalt. Im Vorbeifahren sahen wir wiederholt und zum ersten Mal seit unseren Nachkriegsjahren Halden mit roten, vom Speis gesäuberten Backsteinen, die man als kostbares Baugut zwischengelagert hatte. – Die 1913 eröffnete Breslauer Jahrhunderthalle“, eines der zahlreichen, diesmal aus Stahlbeton errichteten Nachfolgebauwerke des römischen Pantheons, dient bis heute als Veranstaltungsort für Messen sowie kulturelle und sportliche Veranstaltungen.

   Nach unserem langen Rundgang kehren wir zum Hotel zurück und fahren am Abend noch einmal zum Rathausplatz, wo wir uns an der Westseite des „Großen Rings“ vor dem wohl im 13. Jh. erbauten, in seiner gegenwärtigen Gestalt gut 400-jährigen Greifenhaus“ zu einem trockenen Martini niederlassen. Derweil ich die jüngst restaurierten Tierplastiken des Gebäudes betrachte, mustert Ruth vor al­lem die so oft elegant gekleideten polnischen Damen, die ihre Kostüme offensichtlich noch schneidern lassen. Auf der anderen Marktseite finden wir dann doch noch ein Restaurant, ein italienisches mit Knoblauchzubereitung allerdings. – In der Nähe unseres Hotel wird soeben eine lange Stellwand voller Werbeplakate von der Konkurrenz einfach dadurch außer Gefecht gesetzt, dass eine etwas höhere Leichtmetallwand mit ihren eigenen Plakaten direkt davor aufbaut wird.

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