Auf
den Rückenlehnen einiger azulejogeschmückter Bankreihen des
Pavillongartens ist noch der Schriftzug „PLUS
ULTRA”
zu
erkennen. Diese persönliche Devise Karls V., die schon auf den
Wandkacheln seines Gotischen Palastes zu lesen war, erscheint nun
auch im Portalgiebel der aus seinem Pavillongarten hinausführenden
„Puerta del Privilegio”. Das Schriftband mit der Devise legt sich
hier, im Portalgiebel, um die Säulen des Herakles, die ähnlich im
Wappen
von Andalusien
zu
sehen waren. Letzteres jedoch steht für die klassische Devise „Non
Plus
Ultra”,
die nach Pindars 3. nemeischer Ode vor der gefährlichen Meeresregion
jenseits der beiden Säulen warnt, des Felsens von Gibraltar und des
marokkanischen Atlasgebirges.
Das
vorsätzliche Überschreiten dieser von Herakles gesetzten
Tabugrenzen hat zum ersten Mal Dante im 26. Gesang seines ‚Inferno’
erzählt.
Er lässt den wegen seiner Verschlagenheit Feuerqualen
erleidenden Troja-Eroberer
Odysseus berichten, wie er, statt nach Ithaka zurückzukehren, aus
unbändiger Erkundungslust mit seinen Gefährten diese Grenzsäulen
der bekannten Welt passiert und erst am „Monte Purgatorio”
Schiffbruch erlitten hätte.
Der
humanistisch gebildete Karl V. war in dem Wissen aufgewachsen, dass
es just jener Weg über den Atlantik gewesen war, der zur Entdeckung
der Neuen Welt geführt und ihm dieses weltumspannende Reich
hinterlassen hatte, in dem „die Sonne nicht untergeht”.
Ein
Jahrhundert später wird Francis Bacon diesem Sinnbild folgen, wenn
er sein philosophisches Hauptwerk ‚Instauratio
Magna’ (1620)
mit einem die Säulen des Herakles sogleich durchfahrenden
Segelschiff illustrieren lässt: Die Wissenschaft werde nur durch
viele Grenzüberschreitungen erfolgreich sein, lässt er als Devise
darunter setzen („Multi pertransibunt et augebitur scientia”),
ein auf den Propheten Daniel zurückgehendes Wort, das unter anderem
Pierre de Fermat und Goethe hinsichtlich des noch ungesicherten
Erfolges der eigenen wissenschaftlichen Werke zitieren werden.
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