Vom
Mädchenhof der Mudéjar-Palastanlage Pedros I. her tritt man in den
sogenannten Gotischen
Palasttrakt
ein, den Mitte des 13. Jh. Pedros Ururgroßvater Alfonso
der Weise auf einem almohadischen Bau errichten ließ. Diesen
sogenannten Gewölbesaal
ließ wiederum drei Jahrhunderte später Kaiser Karl V. unter
Bewahrung gotischer Elemente wie der Kreuz- und Kreuzrippengewölbe
zu seinem Festsaal umbauen. Auf den Azulejo-Sockeln des Saals ist
Karls kühne geopolitische Devise „Plus
Ultra”
zu lesen, die wir auch in seinem Pavillongarten wiederfinden werden.
In einem eigenen Palastsaal, dem Salón
de Tapices,
ließ er auf flämischen Wandteppiche seinen erfolgreichen
Tunisfeldzug
von 1535
verherrlichen. Die Osmanen hatten die Stadt 1534 mithilfe ihrer meist
von Christensklaven geruderten Galeeren erobert, und Kaiser Karl kam
seinen tunesischen Gefolgsleuten mit Galeeren zu Hilfe, die nun
von angeketteten Protestanten gerudert wurden.
Auch
der Kreuzganghof (Patio
del Crucero)
des
Palastes wurde schon unter den Almahoden-Herrschern erbaut. Er hatte
damals noch eine vier Meter tiefer angelege zweite Ebene mit einem
abgesenkten Garten. Pedro I. soll in dem Souterrain des Hofes für
seine im Gotischen Palast wohnende Geliebte Doña María de
Padilla diese wie ein gotisches Traumbild anzusehenden Bäder
eingerichtet haben; man betritt das im Halbdunkel daliegende
Wasserbecken heute von den Palastgärten her.
María
de Padilla steht
im Schatten der blutigen Legende um Pedro I. und seine Gemahlin
Blanche de Bourbon. Pedro hatte sich aus bündnispolitischen Gründen
mit der 14-Jährigen vermählt und sie schon nach drei Tagen
zugunsten seiner Geliebten verlassen; die Verschmähte ließ er bis
zu ihrem Lebensende (sie wurde nur 22 Jahre alt) an wechselnden
Orten einkerkern. Dokumentiert sind Streitigkeiten um das Brautgeld,
die für Pedro jedoch nur der willkommene Anlass gewesen sein
dürften; als Motiv für ihre Einkerkerung dichtete man der jungen
Braut dann ein verschwiegenes Verhältnis mit Pedros Halbbruder
an und steigerte dies bis zu der Legende, wonach der König die
Gefangene und ihren Liebhaber hätte ermorden lassen. Heinrich Heine
hat uns in seiner Romanze ‚Spanische
Atriden' die
schaurigste Variante dieses Rachemords überliefert (der treue Hund
schleppt das abgeschlagene Haupt seines Herrn in den Festsaal
und hält es, auf dessen leeren Stuhl gesprungen, allen Dasitzenden
wie zur Anklage vor). In
Fontanes ‚Effi
Briest' nimmt
der notorische Verführer Crampas dies Motiv seines Lieblingsdichters
Heine auf, um über Effis Hund „Rollo” seine eigene Liebschaft
anzubahnen.
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