ZUR KONTROVERSE ZWISCHEN SLOTERDIJK UND HABERMAS
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formulieren
lassen müssten; und bekundet
schließlich in existentieller Entschiedenheit: „Das Leben in einem
moralischen Vakuum, in einer Lebensform, die nicht einmal mehr
moralischen Zynismus kennen würde, wäre nicht lebenswert.”23
Habermas'
Theorem einer „Gattungsethik”
wurde
weithin akzeptiert und erfuhr nur gelegentlich (moderaten)
Widerspruch.24
Auch
Sloterdijk lässt keinen Zweifel an der ethischen Fundierung der
eigenen Position und an der Ablehnung evolutionärer Zielsetzungen
für den Menschen.25
Verschließt
aber nicht die Augen vor den diffus sich abzeichnenden neuen
Tendenzen
wie der „Homöotechnik”,
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23
a.a.O.,
S. 124f.
24
In seiner Rede Der
Mensch ist moralisch großzügig geschneidert
(2001) wandte sich der
Biologe und damalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft Hubert
Markl gegen Habermas’ Argument eines drohenden „Eingriffs in die
symmetrische Gleichstellung aller Menschen, die in menschheitsweiter
Kommunikationsgemeinschaft leben und die seiner Ansicht nach nur
durch die uneingeschränkte genetische Zufallslotterie
natürlicher Zeugung gewährleistet werden kann ... Denn mir scheint
seiner Argumentation eine deutliche Überschätzung
der Macht der Gene für
die Entwicklung einer zu selbstverantwortlicher Autonomie befähigten
menschlichen Person zugrunde zu liegen ... und eine ebenso
unbegründete Unterschätzung der gerade durch die menschentypische
genetische Konstitution gewährleisteten Freiheit des Denkens und
Handelns jedes einigermaßen normalen, also nicht schwerkrank
psychisch deformierten Menschen.” Die Würde des Menschen könne
„nicht in seiner zufälligen genetischen Zusammensetzung begründet
sein. Sie ist etwas, was die Menschengemeinschaft jedem Menschen
zuerkennt, ganz gleich wie seine genetische Beschaffenheit zustande
gekommen ist.” Zitiert nach dem Vorabdruck der Rede in der
Süddeutschen
Zeitung Nr.
251/2001. URL: www.gene.ch/genpost/
2001/Jul-Dec/msg00293.html
25
Unmissverständlich in
einem Gespräch mit Hans-Jürgen Heinrichs: „Man muß kein
Kantianer sein, um zu verstehen, daß Menschen nicht Mittel sein
dürfen, schon gar nicht Mittelglieder in einer Züchtungssequenz,
sondern daß sie in jeder Lebenslage in jeder Kultur und in jeder
Zeit ihren Daseinszweck in sich selber tragen. Damit ist im übrigen
schon angedeutet, warum unsere Kultur, sowie sie anfängt,
evolutionistisch, naturalistisch, futuristisch zu denken, sich auf
der schiefen Ebene befindet, weil zum Evolutionismus
per se
die Versuchung gehört,
eine gegebene Generation zu relativieren in Hinblick auf das, was
eine nächste erreicht haben wird.” Peter Sloterdijk und
Hans-Jürgen Heinrichs, Die
Sonne und der Tod. Dialogische Untersuchungen
(Frankfurt/Main 2001), S.
131.
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