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IDENTITÄTSFRAGEN. - PERSÖNLICHE  IDENTITÄT  UND KOLLEKTIVE  DIMENSION  DER  ERINNERUNG

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die eigene wie die gemeinsame Vorgeschichte jederzeit ansprechbar bleibt, notfalls auch als Menetekel und besser noch als Schutzgeist dessen, was einem selbst und was auch anderen gemäß sein könnte.bewußtheit, die es uns erlauben, uns auf der Höhe der eigenen Lebenserfahrungen zu halten. Andernfalls ist jeder bald ein armer Tropf und sich selber weithin abgestorben. Mit sich identisch sein hingegen hieße, als Ideal, sich so lebendig zu erhalten, dass die eigene wie die gemeinsame Vorgeschichte jederzeit ansprechbar bleibt, notfalls auch als Menetekel und besser noch als Schutzgeist dessen, was einem selbst und was auch anderen gemäß sein könnte.


Wie tief das Bewusstmachen unserer halbvergessenen Individualgeschichte und ebenso unserer versprengten kollektiven Geschichte die Gegenwart durchdringt und die Realität verändert, zeigt sich schon am erinnernden Subjekt selbst. Meine eigene Erinnerungslust, mag sie auch streckenweise den unfreiwilligen Charakter einer Obsession gehabt haben (was ich aber im Grunde nicht glaube), hat in ihrer konsequenten Abwicklung meine Vergangenheit analytisch aufgelöst, sie entfaltet und neu zu­sam­men­ge­setzt. Nicht nur meine Erschütterungen bezeugen dies, auch hunderte von kleineren Einsichten, die als solche Selbst­kor­rek­tu­ren im Detail waren. Wie bei der laufenden Selbstwiderlegung des Schreibenden, der seine Formulierungen über­ar­bei­tet und wieder überarbeitet, findet man sich schließlich selbst auf einem anderen Niveau wieder; auf dem Niveau eines Selbst­ver­ständ­nis­ses, das die Fundamente unserer Existenz und ebenso unser Wirklichkeitsvertrauen in Frage zu stellen wagte.

   Solch späte Einsichten stemmen sich der Faktizität mächtiger entgegen, als es theoretische Erkenntnisse oder auch Zu­kunfts­er­war­tun­gen je vermöchten. Was mir während meiner Erinnerungsodyssee alles aufging, hat man im einzelnen nachlesen können. Was es bedeutet, sollte ich gleichwohl noch an einem Einzelfall sinnfälliger machen, und zwar an dem, was ich bei der Wie­der­be­geg­nung mit Wolfgang, dem Gefährten meiner frühen und mittleren Kindheit, erfahren konnte.


Vor dem Besuch gab ich ihm meine Aufzeichnungen zu unseren Spielen und zu seiner Person zu lesen, so dass er besonders leicht wieder in unsere gemeinsame Vergangenheit hineinfinden konnte. Diese Begünstigung ändert nichts daran, dass sein rei­ches Mitwissen ihm persönlich angehört und er selbst dadurch neu präsent in meinem Erinnerungsraum ist. Das heißt zunächst nicht als das Kind, das in den von mir beschriebenen Szenen auftritt, sondern nur mittelbar über sein neu hinzutretendes Be­scheid­wis­sen, das meine Erinnerungsbilder nun begleitet und mir zunächst nicht mehr gestattet, sie so unbefangen wie bislang her­auf­zie­hen zu lassen. Ein Verlust an Geläufigkeit und Selbstsicherheit, der zugleich vieles in mir auffrischt und die schon beinahe in sich ver­schlossenen Szenen ebenso in Frage stellt wie das Urteil, das ich über uns beide gebildet hatte. Indem nun sein von mir be­wun­der­tes Erinnerungswissen, das des Erwachsenen, seiner Kindheit entstammt, lagert es sich, gleichsam als deren Potential, 


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