Geschehen eingebunden ist (so wie in meinem Rheinwiesen-Schema noch ein größerer Junge in der Kletterweide über mir ein Stückchen weiter draußen dasitzt). Eine Position, die es erlaubt, unauffällig zu bleiben und zugleich den Überblick zu behalten. Überhaupt liegt ihr großer Vorzug in dem ungestörten, unaufgeregten Zusehen- und Betrachtenkönnen. Indem sie sich freilich alles Ablenkende und Überraschende tendenziell vom Leibe hält, macht sie zugleich spontane oder geistesgegenwärtige Reaktionen weithin überflüssig und lässt darum diese und ihre gestischen Ausdrucksformen sicherlich auch verkümmern.
So kann die kindliche, im Spiel tausendmal erfahrene und geübte Raumorientierung sich unbemerkt zu einem komplexeren Verhaltensstil ausgestalten, der auch für die weitere soziale und seelisch-geistige Entwicklung bedeutsam bleibt. Denn während ich mich in meinem frühen Wiesenschema noch zu allerlei Spielen und Erkundungen aufgerufen fühle, verharre ich dagegen in meiner späteren Raumposition an der Grenze und verzichte, insofern der (Spiel-)Raum nunmehr auch zum Handlungsraum geworden ist, auf das unmittelbare Eingreifen zugunsten der distanzierten Betrachtung und Beurteilung.
Man darf dies nicht dämonisieren und als biographisches Schicksal ausgeben. Wie für uns Schulkinder die Plätze manchmal durch äußere Umstände neu festgelegt werden konnten (Körpergröße etwa, Kurzsichtigkeit oder unfreiwillige Platzierung auf der ,Lümmelbank’), so würde auch die drohende Isolation bei einer Betrachterposition wie der meinigen für gewöhnlich spätestens im Berufsleben neutralisiert oder aufgehoben werden, schon durch die Mechanismen der Arbeitsorganisation und betrieblichen Einbindung. Nun wurde ich aber einmal nicht der Industriekaufmann, der ich nach der Vorstellung meiner Eltern nach der Mittleren Reife hätte werden sollen, sondern boykottierte heimlich den beruflichen Eignungstest und fühlte mich bald immer stärker von den praxisfernen Geisteswissenschaften angezogen. Und insofern meine zurückgezogene Position zweifellos eine Affinität zur ,theoretischen’ Haltung hat, konnte sie in dieser Studienwahl überdauern und dürfte sogar auf die von mir bevorzugten Studieninhalte und Untersuchungen Einfluss genommen haben. Hält doch meine wechselnden Hauptthemen das Interesse an der prekären Überlegenheit von Distanz- und Außenseiterpositionen zusammen; dies insbesondere bei Literaten und Künstlern, die ihre Werke oder auch bestimmte Tiefenschichten weithin verschlüsselten und insofern auf unabsehbare Zeit „auf Eis legten”. Mit ihrer Entdeckung stellte sich zugleich die allgemeinere hermeneutische Frage, wie sich ein solcher Vorsatz, mit der Essenz des eigenen Werkes langzeitig eine Zwischenexistenz zu führen und womöglich ganz in Vergessenheit zu geraten, mit den üblichen Vorstellungen von Überlieferung und Traditionsbildung verträgt. Diesen Fragen ging ich 1975 in einer kleinen Studie nach, die das zeitüberschreitende Potential solcher Werke, ihren verkappten Todestrotz und zuletzt auch den metaphysischen Rang der Erinnerungsthematik verfolgte.
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