Quellen: www.usatoday.com/news/nation/2005-10-07-subwayplot_x.htm http://en.wikipedia.org/wiki/File:Harlem_condemned_building.jpg
http://uptownflavor.com/wp-content/uploads/2009/03/harlem090406_560.jpg
In
den ersten Tagen bewegen wir uns meist wachsam durch die Areale
dieser Stadt. Anzeichen für die so oft beschworene Kriminalität
gibt es nämlich immer wieder, schon die vor der Abenddämmerung wie
ausgeräumte City stimmt unbehaglich, sodann die hier und da
plaudernd dastehenden und zugleich aufmerksam um sich blickenden
Grüppchen oder Cliquen.
Zu denken gaben ferner die ziemlich schäbigen, gleichwohl mehrfach
gesicherten und verbarrikadierten Läden. Demonstrativ gesichert
zeigt sich auch der Kassenraum so mancher Tankstelle, an der man das
Wechselgeld nur durch einen Schlitz zurückgeschoben bekommt. Auf den
schlecht ausgeleuchteten Subway-Strecken kann einem die Fahrt
schon allein durch das Gebaren der Sicherheitsbeamten bedrohlich
vorkommen: Im Abteil mit vorwiegend „coloured people” bleiben sie
demonstrativ bei der Tür stehen, bis wir, anscheinend ahnungslose
Touristen aus Westeuropa, den Wagen verlassen haben.
Während
unserer Schleichtour durch das verrufene Harlem
können angesichts des
Quadratkilometer sich ausbreitenden Elends freilich auch
aufrührerische Impulse in einem aufsteigen, Gedanken etwa an etwaige
Faustpfänder wie das benachbarte, ungemein lauschig daliegende
Guggenhein-Museum. Dass sich in Harlem auch gepflegtere Wohnbezirke
für „farbige” Anwälte, Ärzte oder Beamte finden, scheint
auf eine zunehmend selbstbewusste Autarkie hinzudeuten. Allerdings
längst nicht so substantiell, wie später in Atlanta/Georgia zu
bemerken, wo anscheinend nicht wenige Afroamerikaner an der Spitze
der Stadtverwaltung stehen. – Für die latente Kriminalität
habe ich persönlich eigentlich nur die Raubbettelei eines Farbigen
in einem Liquorladen in St. Louis anzuführen; als ich die Sache
mit (europäischem) Humor abzuwickeln suchte, wurde es schlagartig
ungemütlich.
Das europäische
Vorurteil von der notorischen Rücksichtslosigkeit und
Gewaltbereitschaft der Yankees haben wir bald revidieren können.
Die Berührungs- und Rempelungstabus werden hier sogar strenger als
bei uns beachtet, ein ständiges Sichentschuldigen ist schon bei
kleineren unvermeidlichen Annäherungen üblich. Und nur ein einiges
Mal wurde jemand ausfallend, ein etwa 60jähriger Weißer aus Ohio
mit Cowboy-Kordelkrawatte, der in einem Hotellift in Washington
glaubte, mit seiner abfälligen Bemerkung über einen Asiaten
unseren Beifall zu erhalten. Bei der ansonsten übertriebenen
Zuvorkommenheit konnten wir uns kaum einmal länger als zehn Sekunden
in einen Stadtplan vertiefen, ohne ein unerwünschtes Hilfeangebot zu
bekommen. Sicherlich auch wegen dieser Beflissenheit gingen wir auf
unserer Reise Gesprächen mit Einheimischen möglichst aus dem Weg.
Ironischerweise unterhielten wir uns am längsten mit den Cops zweier
Highway-Patrouillen,
die meine Geschwindigkeitsüberschreitungen jeweils aus westernreifen
Lauerstellungen beobachtet hatten und sogleich mit Sirenengeheul
hinter uns her jagten. Beide Mal war einer von ihnen mit West Germany
in Berührung gekommen, sei es noch über den Zweiten Weltkrieg
oder durch späteren Militärdienst in der Bundesrepublik; auf den
Verkehrsverstoß selbst kamen sie nach einer Ermahnung dann nicht
mehr zu sprechen.
- 4 -