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VI GERMANISTICA



Palermo, der manieristische Brunnen auf der Piazza Pretoria


Rechts: Der von Barockpalästen umgrenzte zentrale Altstadtplatz 'Quattro Canti'
Derunter der Palazzo im Standbild (Ausschnitt) in Wim Wenders' Film 'Palermo Shooting' (2008)

Quellen: www.typicalsicily.it/wp/wp-content/uploads/2015/07/Monumento-a-Palermo-Fontana-Pretoria.jpg  https://images.placesonline.com/photos/424012510171105_Palermo_3.jpg?quality=80&w=710&h=510&mode=crop
Wim Wenders, ‚Palermo Shooting’, Standbild bei 0:36:53 der DVD (Senator Home Entertainement 2009) 


Wir gehen noch ein Stück weit die Via Vittorio Ema­nu­ele hin­un­ter, die nordöstlich verlaufende Ach­se der bei­den Haupt­stra­ßen Palermos, die bei dem Platz ,Quattro Canti’ im rechten Win­kel auf die Via Maqueda als zwei­te Achse trifft. Gleich dahinter liegt die ,Piazza Pretoria mit ihrer monumentalen Brunnenanlage. Goethe missfiel der Ein­fall sehr, un­ter­halb der an­ti­ken Gottheiten und anderer mythologischer Skulpturen noch ei­nen Kreis von wasserspeienden Tier­skulp­tu­ren an­zu­brin­gen. Sein Urteil vom 5. April 1787 können wir aber vor Ort nicht über­prü­fen, da die Mitte des 16. Jh. erschaffene Anlage wegen Re­no­vie­rungsarbeiten weit­hin ver­hängt ist (oben ein jüngeres Photo der Fontana Pretoria).

  So wenden wir uns zurück zur Kreuzung der ,Piazza Quattro Canti’, deren vier Ecken (,Canti’) in eigenwilliger Architektur die Wohnviertel der historischen Altstadt Palermos voneinander abgrenzen. Und zwar sind es vier Anfang des 17. Jh. erbaute Barockpaläste, deren konkav geschwungene Fassaden einheitlich gegliedert sind: Der Brunnen im Sockelbereich repräsentiert einen der vier Flüsse der Stadt und die Frau­en­skulp­tur dar­über eine der Jahreszeiten; den Mittelbereich beherrscht die Statue eines der damaligen spanischen Könige Siziliens, worüber sich jeweils eine der vier Stadtpatroninnen erhebt.


P.S. 2017: Wim Wenders hat in seinem Film ,Palermo Shooting’ (2008) für wenige Sekunden eine weitere allegorische Figur hinzugefügt, nämlich den von Dennis Hopper gespielten Tod. Wie der von ihm gejagte Protago­nist Finn Gilbert wähnt, steht sein Verfolger oben am Fenster des Palazzo Rudinì neben der Schutzheiligen Ninfa und will offenbar einen Pfeil auf ihn abschießen (er bohrt sich gleich danach in den Mar­mor­kopf einer Brunnenfigur hinter ihm). Zum ersten Mal auf Palermo aufmerksam gemacht wurde Finn auf den Düsseldorfer Rheinwiesen durch einen fröhlichen älteren Herrn, der während seiner Ne­ben­tä­tigkeit als Schäfer oder ,Hüter auf Zeit’ zugleich Börsengeschäfte abwickelt. Beim Anblick eines vorbeifahrenden Frachtschiffes erklärt er Finn, dass ,Palermo’ aus dem Griechischen komme und ,Allhafen’ be­deu­te. Es ist dies ein andermal eine der verkappten Wendersschen Hermesfiguren wie einst Bruno Winter (Rüdiger Vogler) in Im Lauf der Zeit’, Tom Ripley (Dennis Hopper) in Der amerikanische Freund’ oder Tom Tom (Jeremy Davies) in Das Million Dollar Hotel’ (mit Milla Jovovich als Hermes' Freundin Aphrodite). Sein Outfit mit breitkrempigem Hut, „Fliege” und Stock scheint zugleich eine Hommage an die Her­mes­ge­stalt GAFF in Ridley Scotts Blade Runner’ zu sein.

   Der grie­chi­sche Pa­tron der Herden und Händler tritt jetzt speziell als der zu den Hadesgewässern hinleitende Seelengeleiter (Psychopompos) auf. Wie einst Bruno Winter am Elbufer den lebensmüden ,Ka­mi­ka­ze’ Ro­bert Lan­der mit seinem Spe­zi­al­trans­por­ter empfing und Tom Ripley dem todkranken Jonathan Zimmermann zu seinem Sterbeort an der Nordsee vorausfuhr, so führt der Seelenhirte nun vom Rhein­ufer her den aus­ge­brann­ten Finn dem Tod in der ,All­ha­fen’-Stadt Palermo zu. Behutsam leitet er das Gespräch vom Ver­lang­sa­men der Zeit und ei­nem kon­se­quenten Durchleben der Gegenwart auf den Ver­lust eines Men­schen über. Ja, in seiner klas­si­schen Rol­le als Überbringer der Träume hat er Finn, der auf dem Lieb­lings­baum sei­ner Kind­heit ein­ge­schla­fen war, von Palermos Katakomben und seiner dorthin gebrachten Mutter träu­men las­sen – dies al­so noch vor dem An­blick je­nes Rheinschif­fes.

   Damals, an der Piazza di Quattro Canti, konnten wir nicht ahnen, dass uns Hermes wenig später im Archäologischen Museum von Palermo als Patron der Herden und Psychopompos entgegentreten würde.


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