Quellen: www.italyguides.it/images/gridfolio/taormina/taormina.03.jpg http://commondatastorage.googleapis.com/static.panoramio.com/photos/original/57888123.jpg
Mittw.
13.8.2003:
Der
Hinflug von Stuttgart aus führt über einen Zwischenstopp in
Rom-Fiumicino zu dem kleinen Flughafen von Catania.
Hier erfahren wir am Mietwagenschalter, dass der
vorbestellte Fahrzeugtyp leider nicht verfügbar
sei, nur ein aufpreispflichtiger Peugeot
einer höheren Kategorie. Unter dem Zeitdruck,
mit dem man sicherlich rechnete, müssen wir auf das kleinere
wendigere Auto verzichten, was ich denn auch
in den Bergstädtchen und -dörfchen wiederholt
verwünschen werde. – Am Stadtrand von Catania brauchen
wir eine gute Viertelstunde, um aus einem
Verkehrskreisel herauszukommen, der von allen
Seiten her ständig zugefahren wird.
Auf
meeresnahen Straßen fahren wir ungefähr eine Stunde in nördlicher
Richtung auf Taormina
zu, jene auf dem Monte Tauro erbaute antike Stadt Tauromenion. Die
hiesige Küstenregion wird in der
Homer-Forschung gern als Schauplatz einiger Stationen der
,Odyssee’
angesetzt,
so die Meerenge von Messina als Ort der Meeresungeheuer
Skylla und Charybdis, Taormina selber
als die Sirenenbucht und die weiter südlich bei
Aci Trezza stehenden Klippen als die von Polyphem
vom Ätna her auf Odysseus' Schiff hinabgeschleuderten
Felsbrocken. Man kann sich damit anfreunden.
Goethe jedenfalls, dessen sizilianische
Route wir mehrmals kreuzen werden, war von der
homerischen Aura dieser Landschaft so
beeindruckt, dass er im Mai 1787 in Taormina
über eine ,Nausikaa’-Tragödie
als „eine dramatische Konzentration der ,Odyssee’”
nachzusinnen begann.
In
dem kleinen Hotel „Vello d’Oro” haben wir für
drei Übernachtungen gebucht, ausnahmsweise einmal mit
„Halbpension”. An den 15 bis 20 Tischen sitzen meist
dieselben Gäste vor derselben
Weinflasche und nehmen mitunter gerade einmal
abendlich ein Glas zu sich. Ein junger Pensionist
neben mir summt und brummt Tag für Tag während des
Essens etwas vor sich hin, an einem anderen Tisch lächelt
ein blutjunges Paar meist stumm und lieb für sich hin, und
hinten am Katzentisch blickt eine betagtere
Dame interessiert in die Runde, in der
sich auch einige Nur- oder Dauerbader zu befinden
scheinen. Das terrassenförmig angelegte Hotel
enthielt einst im Untergeschoß ein
Keramikatelier und wurde von den Künstlern und dem nett dilettierenden
Hoteleigner mit Dutzenden von Skulpturen,
Gemälden und Zierraten ausgestattet.
Wir
gehen noch hinunter zum Corso Umberto. Welch ein Gewühl! Nur gut,
dass wir für die beiden folgenden Tage Abstecher nach
Messina und zum Ätna geplant haben.
Do.
14.8.03:
Als
erstes suchen wir das
antike Theater auf,
das die Römer im
2. Jh. v. Chr. über
einem griechischen Theater erbaut hatten. Es liegt auf dem höchsten
Punkt der Stadt und zieht den Blick heutiger Besucher über Meer und
Stadt bis hin zum Ätna. Goethe bewunderte auch die Einbettung
des Theaters in eine natürliche Mulde; die
Sitzreihen freilich wurden erst zu Beginn des 19. Jh. freilegt
und die Bühnengebäude noch später restauriert. Auf dem
Rückweg vom Theater verfing sich Goethe übrigens in
einem Bollwerk aus Agaven, von denen
tatsächlich wieder etliche in der unmittelbaren Nähe zu
finden sind.
Im
2. nachchristlichen Jahrhundert erweiterten die Römer den
Durchmesser ihres nun aus Ziegelstein erbauten Theaters auf gut 110
m, um es dann nur noch für Gladiatoren- und Tierkämpfe zu nutzen.
Die Nischen hinter den korinthischen Säulen waren mit Statuen
geschmückt. Die römischen Zuschauer konnten gewiss nicht den
heutigen Ausblick genießen, lag doch über den Rängen
eine gedeckte Halbkreishalle. –
Nicht zuletzt wegen der immer noch phantastischen Akustik
finden hier im Sommer regelmäßig musikalische und theatralische
Veranstaltungen sowie (Film-)Festivals statt.
Einzigartig
in Europa soll der
arabische Wehrturm aus
dem 11. Jh. sein.
Auf dem Platz der griechischen Agora und des römischen Forums
errichtet, wurde er seit dem 13. Jh. sukzessive in den Neubau des
Palazzo Corvaja einbezogen und blieb auf diese Weise
glücklich erhalten. Ähnliches kennt man von
antiken Tempeln, die wie der
Athena-Tempel in Syrakus in
Teilen überdauerten, weil Säulen und andere
Bauteile in christliche Kirchen integriert
wurden. Der Turm beherbergt gegenwärtig ein Volkskunstmuseum
(mit einer Marionettensammlung) und das Touristenbüro Taorminas. Das
Foto zeigt den Innenhof mit der im 14. Jh. angelegten
Zugangstreppe und dem Kalksteintorso einer griechischen
Löwenskulptur.
Neben
dem Hauptportal des im 13 . Jh. unter
den Staufern errichteten Doms
wachsen
gegenwärtig prächtige Magnolienbäume. Auch
dieses zinnenbewehrte Kirchengebäude hat griechisch-römische
Bauelemente; einige Marmorsäulen im
Kirchenschiff stammen vermutlich von dem antiken Theater, während
jenes Portal mit seinen Säulen im korinthischen Stil
und einem entsprechenden Ziergiebel ein
Barockzitat ist. Das Deckengebälk erinnert
uns gewiss nicht von ungefähr an Kirchendecken der
Bretagne und Normandie,
die
wie Saint-Jaques in Marcel Prousts Städtchen
Illiers-Combray einem umgedrehten
Schiffsrumpf gleichen.
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