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VI GERMANISTICA





Die den Norden Ragusas (rechts) mit dem Süden verbindenden drei Brücken; in der Mitte der 'Ponte Vecchio'/'Ponte dei Cappuccini' (1843), hinten der 'Ponte Nuovo' (1936) und vorne der 'Ponte San Vito'/'Ponte Papa Giovanni XXIII' (1964)


Oben: Blick hinunter auf RAGUSA-IBLA; unten links die Barockkirche 'Anime del Purgatorio', rechts auf dem höchsten Punkt der Unterstadt
eine ehemalige Kaserne (gegenwärtig auch von der Universität genutzt)
Darunter die drei „Mascheroni” oder exaltierten Charaktermasken des Palazzo Bertini in Ragusa-Superiore

Quellen:www.italia.it/de/reisetipps/kunststaedte/noto.html#prettyPhoto Quellen: Google Maps: „Ragusa”   www.cellartours.com/wp-content/uploads/2008/06/ragusa-51.jpg   www.giovannigatto.com/progetto-di-restaturo-palazzo-bertini---ragusa.html


Wir verlassen Noto und fahren zunächst weiterhin auf der SS115 unserem Tagesziel Ragusa entgegen. Die Felder und Wiesen sind zur Straßenseite hin meist durch mörtellose Mauern aus Feldsteinen abgegrenzt; hier und da muss­te offenbar eine Straßenstrecke direkt aus dem Kalkfels gebrochen werden. Schon gegen Mittag sind wir in Ragusa, doch noch zu früh für unser Hotel in der Oberstadt, so dass wir gleich in die uralte, von den vor­hel­le­ni­schen Sikelern gegründete Un­ter­stadt Ragusa-Ibla hinunterfah­ren. Tei­le der Be­völ­ke­rung  wollten nach dem Süd­sizilien verheerenden Erd­be­ben von 1693 dort unten verbleiben, wäh­rend an­de­re die vermeintlich si­che­re­re Ober­stadt gründeten.

   Auf einer bald leicht ansteigenden Straße fahren wir an schönen, freilich meist restaurierungsbedürftigen Häusern entlang und machen zuletzt bei der mit einer großzügigen Freitreppe einladenden Kirche Anime del Pur­ga­to­rio” Halt. Ringsum herrscht jetzt Mit­tags­ru­he, und auch die Kirche ist ge­schlos­sen. So setzen wir uns nach einem kleinen Rundgang vor einer Ca­fé-Bar zur Er­fri­schung hin.


Der Weg zu dem 100 Meter höher gelegenen Stadtteil Ragusa-Superiore führt über fünf oder sechs eng gewundene Straßenschlaufen hinauf, und noch dort steigt die Straße bis zu unserem Hotel weiterhin an. Nach dem Check-in für dieses jüngst renovierte Hotel „Montreal” wollen wir in der umliegenden In­nen­stadt das Zentrum kennenlernen. Ein solches aber will sich in unserem Orientierungsge­fühl so recht nicht ein­stel­len, trotz der na­he­zu 70.000 Einwohner sind in diesem bedeutend größeren Stadtteil von Ragusa kaum einmal mal mehr als zwanzig oder dreißig Personen an einem Ort. So gehen wir nach einiger Zeit zurück zum Ho­tel und durch­que­ren Ragusa-Superiore nun mit dem Auto. Auch jetzt ist für uns kein eigentliches Zen­trum aus­zu­ma­chen, beim Busbahnhof sind kaum mehr als 20 Personen zu sehen, und wie ausgestorben liegt am heu­ti­gen Sonn­tag das In­du­strie­ge­biet mit seinen Raffinerien da. Schließ­lich sto­ßen wir auf ein Fußballstadion, doch in dem Mo­ment, als ich den Mietwagen abgestellt habe und für den zu erwartenden Anblick ei­ner grö­ße­ren leb­haf­ten Men­schen­men­ge Kar­ten kau­fen will, ist der Pfiff des Schieds­rich­ters zu hö­ren und tröpfeln schon die ersten Zuschauer aus dem Sta­di­on­tor!

   Zuletzt stellen wir den Peugeot in der Nähe des Ponte Nuovo ab und können von der Brücke aus nun zum ersten Mal auch die beiden anderen das Tal Santa Domenica überspannenden Brücken er­bli­cken. Ein pit­to­res­ker An­blick in der Brei­te wie Raum­tie­fe besonders wegen des im Vordergrund daliegenden Pon­te Vecchio” aus der Mitte des 19. Jh.; die zweistöckige Bogenbrücke ist seit Jahrzehnten nur noch für Fuß­gän­ger frei­ge­ge­ben. – Wir lassen uns längere Zeit vor einer nahen Allround-Trat­to­ria nie­der. Bei Ein­bruch der Däm­me­rung finden sich nun doch mehr Pas­san­ten und Gä­ste ein, auch Fa­milien mit Kleinkindern, allerdings im­mer noch ver­wun­der­lich we­ni­ge. Vie­le Ein­woh­ner sind außer in der Landwirtschaft, Fischerei und Steinindustrie auch in der Erd­öl­in­du­strie oder beim (Un­ter­ta­ge-)Asphaltabbau be­schäf­tigt. Sollten sich zurzeit so vie­le an Ita­li­ens Strän­den er­ho­len? Ra­gu­sas Bevölkerung jedenfalls ist laut den Statistiken die wohlhabendste Siziliens.

   In der Nähe unseres Hotels liegt am Corso Italia der Ende des 18. Jh. errichtete Palazzo Bertini. Weithin bekannt ist er wegen dreier Kopfskulpturen, die sich ursprünglich über den Eingangsportalen befanden, aber nach ei­ner Absenkung des Straßenniveaus als Schlusssteine dreier Balkonportale der nun 1. Etage eingefügt wurden. Aus dem regionalen Asphaltstein gearbeitet, stellen sie drei Mascheroni” dar, ausdrucksstarke Mas­ken­ty­pen einer zum Erbarmen verzogenen Bett­lerphysiognomie, eines grimmig dreinblickenden herrischen Nobile und eines prüfend musternden (orientalischen) Kaufmanns. Solche und ähnliche oft the­a­ter­na­he Masken und Überzeichnungen wa­ren im Italienischen Barock recht beliebt; eine spezielle Spielart des Grotesken im Sizilianischen Barock werden wir in der Villa Palagonia bei Palermo ken­nen­ler­nen.


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