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Über
Wurzen fahren wir weiter nach Grimma. Das Renaissance-Rathaus
liegt in viergeschossiger Abstufung mit elegantem Schweifgiebel breit
dahingelagert da, und gleich daneben ist auf dem Rathausplatz die
Druckerei des Verlegers J. G. Göschen zu sehen. Göschen gab
1787-90 die erste Gesamtausgabe Goethes heraus, die achtbändigen
Schriften. Das mittlerweile
nach Göschens Lektor und Korrektor als „Seume-Haus“
bezeichnete Gebäude ist zur Zeit nicht zu besichtigen; so laufen wir
die Hauptstraße des Städtchen hinauf, auf der – wie bei uns bis
in die frühen 1960-er Jahre hinein – viele Bürger ihren
Sonntagsnachmittagspaziergang absolvieren. Die Auslagen der
Geschäfte sind recht bescheiden.
In
der Provinz haben sich noch viele Namensgebungen aus sozialistischer
Zeit erhalten, hier etwa eine nach Clara Zetkin benannte Berufsschule
und die einst allerorts gegenwärtige „Straße des Friedens“.
In
Grimma-Hohnstädt suchen wir noch Göschens
Sommerhaus
auf, in dem auch Johann Gottfried Seume wohnte. Von hier aus brach
Seume im Dezember 1801 zu seinem 6000 km langen ‚Spaziergang
nach Syracus‘ auf
(sein Reisebericht erschien schon 1803 bei Göschen). Das Museum, das
eine Gedenkstätte für Seume und auch dessen Spazierstock enthält,
ist wieder einmal geschlossen. Der von Göschen gepriesene Ausblick
von der Höhenlage aus verlockt uns beide zu einem Spaziergang, der
zu einem Sportplatz am Seumeparkweg führt, wo gerade wild und unter
ständigen Zurufen gekickt wird.
Für
die Rückfahrt nach Leipzig fahren wir auf der so schönen wie
gefährlich baumbestandenen Allee S38. Kurz vor Leipzig erscheint zur
Linken das kolossale Völkerschlachtdenkmal. Ruth ist
anfänglich geneigt, die 500 Stufen bis zur Aussichtsplattform zu
ersteigen. Je näher wir dem Monument dann kommen und kraftmeierische
Details wie die 12 altdeutschen Ritterskulpturen erkennen
können, desto unwilliger werden wir und und schrecken unmittelbar
zuvor ganz davon zurück, schlagen einen Bogen und laufen an der
anderen Seite des riesigen Wasserbeckens zurück. Dieses
Reflexionsbecken wurde von den Nationalsozialisten als „See der
Tränen um die gefallenen Soldaten“ bezeichnet, soll aber
sicherlich auch auf das damalige Blutbad im Sinne einer „völkischen
Reinigung“ anspielen.
Danach
kommen wir an der schönen im Frührenaissancestil erbauten Deutschen
Bibliothek und sodann an riesigen Wohnkasernen vorbei; wir halten in
der nahgelegenen stillen Sternwartenstraße, wo seit Kurzem die
Leipziger Arbeitsstelle
des
Goethe-Wörterbuchs
untergebracht ist.
In der meist fünfgeschossigen Häuserzeile hat man erst wenige
Häuser restauriert, darunter unser Tübinger Partnerinstitut.
Etliche Gebäude wie das Nachbarhaus stehen leer da, mit zugemauerten
Türen und Fenstern in den unteren Stockwerken sowie dunklen
Fensterhöhlen in den oberen Etagen.
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