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VI GERMANISTICA


Thessaloníki, Geburtshaus von Mustafa Kemal („Atatürk”); unten der Empfangsraum


„Atatürk” an der Reformfront (1928); daneben mit dem deutschen Eisernen Kreuz (1917);
rechts Kaiser Wilhelm II. in türkischer Uniform (mit Lammfellmütze)
Unten: Die 1992 angelegte Ehrenstätte für das 57. türkische Infanterieregiment (auf der Halbinsel Gallipoli)

Quellen: https://media-cdn.tripadvisor.com/media/photo-l/03/47/c2/0f/ataturk-s-birthplace.jpg www.enjoythessaloniki.com/wp-content/plugins/widgetkit/cache/gallery/1746/4-03c1bcb083.jpg www.resimupload.org/r-ataturk-resimleri-7-mustafa-kemal-ataturk-1089.html https://i0.wp.com/www.istasy10.net/wp-content/uploads/2016/09/Mustafa-Kemal-Atat%C3%BCrk-2016-04-istasy10net.jpg?w=50 


Als Sohn eines Zollbeamten wohnte Mustafa Kemal bis zu seinem 8. Lebensjahr in dem Haus, das die Stadt Thessaloníki Mitte der 1930-er Jahre der Türkei schenkte, die es als Mu­se­um mit einer Dauerausstellung einrichten ließ. Zu besichtigen sind alle Wohnräume sowie die schmale Küche und der Garten mit seinem Granatapfelbaum. Zu den Originalmöbeln ge­hö­ren ein europäisches Sofa im Empfangssalon, breite Ottomanen in den Privaträumen und Kohlenbecken.

    Die Vitrinen präsentieren neben persönlichen Dingen wie Raucherutensilien, Teegeschirr auch diverse Dokumente sowie zivile und militärische Kleidungsstücke dieses wahrlich gro­ßen Mannes. Denn was nicht alles hat er zusammen mit der von ihm gegründeten Republikanischen Volksparteiwährend seiner 15-jährigen, mit Exekutivfunktionen aus­ge­stat­te­ten Präsidentschaft durchsetzen können! Den Laizismus als Trennung von Politik und Religion bei Abschaffung von Sultanat und Kalifat zugunsten einer republikanischen Ver­fas­sung, dies mit Aufhebung der Scharia und Polygamie, der Einführung des Wahlrechts für Frauen sowie der allgemeinen Schulpflicht. Die arabische Schrift ließ er durch die la­tei­ni­sche ersetzen und auch den Gregorianischen Kalender übernehmen.

   Zur angestrebten wirtschaftlicher Autarkie des Landes setzte Kemal auf eine Form des Etatismus, mit der er Industriezweige wie Maschinenbau, Textil-, Flugzeug- und Au­to­mo­bil­in­du­strie subventionieren und ebenso privatwirtschaftliche Unternehmungen fördern konnte. Seine persönliche Vorliebe galt der Landwirtschaft; als eine Art Musterfarm ließ er so ei­ne ausgedehnte Waldfarm in Ankara anlegen, der auch ein Zoo angeschlossen war. Auf dem Gelände wurde zu „Atatürks” 100. Geburtstag eine Replik seines Geburtshauses erbaut. Der Reaktionär Erdogan ließ trotz oberstgerichtlichen Baustopps auf dem Farmgelände einen pompösen Präsidentschaftspalast mit 1000 Zimmern erbauen und empfing dort 2014 als erste Staatsgäste die Autokraten Putin und den amtierenden Papst.

 

Mustafa Kemals Verhältnis zu Deutschland wurde primär durch die Zugehörigkeit der Türkei zu den Mittelmächten und die Dardanellenschlacht von Gallipoli geprägt, die mit über 100.000 Gefallenen zu den blutigsten des 1. Weltkriegs gehört. Als Divisionskommandeur unter dem deutschen Marschall Liman von Sanders trug er 1915 entscheidend dazu bei, die Besetzung dieser türkischen Halbinsel durch Truppen der Entente und damit die Bedrohung von Istanbul abzuwehren. Er opferte dafür das ihm unterstellte 57. türkische In­fan­te­rie­re­gi­ment, dem nach den Angriffswellen des Gegners die Munition ausgegangen war. Mustafa Kemal befahl ihm, die Bajonette aufzupflanzen und erteilte die Order: „Ich be­feh­le Euch nicht, anzugreifen. Ich befehle Euch zu sterben! Während wir sterben, werden andere Truppen und Kommandeure unseren Platz einnehmen.” Kaiser Friedrich Wilhelm II. ver­lieh ihm für diesen Abwehrerfolg, der so man­chen an den Opfergang des Leonídas erinnerte, das Eiserne Kreuz. Bei seinem Besuch des Kaisers im Großen Hauptquartier im bel­gi­schen Spa erfuhr Kemal Pascha die Pläne der deutschen Obersten Heeresleitung für die Frühjahrsoffensive 1918; er hielt sie nicht für überzeugend.

   Kemals späterer zäher Widerstand gegen den vom türkischen Sultan 1920 unterzeichneten Diktatfrieden von Sèvres, demzufolge die Türkei einen Großteil ihres Staatsgebietes an die Nachbarstaaten hätte abtreten müssen, war im Gegensatz zum deutschen Widerstand gegen das Diktat von Versailles erfolgreich. Dafür wurde er in Hitlers Reichstagrede vom 4. Mai 1941, wenige Tage vor dem deutschen Angriff auf Frankreich, hoch gepriesen, ignorierte freilich alle Schmeicheleien der Nazis (darunter Atatürk”-Büsten und -Denkmale von Hit­lers Lieblingsbildhauer Josef Thorak sowie eine schon 1930 aufmarschierte Ehrenformation der SA vor der türkischen Botschaft in Berlin).


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