Quellen: https://rheinischer-spiegel.de/wp-content/uploads/2019/05/6049243E-7754-4C84-911A-CF5A0AB7A90D.jpeg http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Delphi_Kastalische_Quelle.jpg
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Wir
verlassen Theben in Richtung Delphi und haben nach einer guten halben
Stunde immer wieder das Gebirgsmassiv des Parnass zu unserer Rechten.
Nach einer weiteren halben Stunde – zuletzt
auf einer gut ausgebauten Berghangstraße – treffen
wir am Fuße des Parnass in
Delphi ein. An
einem scharfen
Straßenknick liegt in einer kleinen Schlucht, die durch zwei hier
zusammentreffende Gebirgszüge gebildet
wird, der Zugang zur Kastalischen
Quelle.
Sie ist mit einer Doppelschuld des späteren Musengottes Apollon
verquickt: Er verfolgte hier die Nymphe Kastalía, die sich auf
der Flucht vor ihm in die Quelle stürzte; und erlegte an der später
Delphi genannten Stätte mit Pfeil und Bogen den geflügelten und
orakelkundigen Drachen Pýthon, der einst Apollons Mutter Leto
töten sollte. Für diesen Frevel an dem Sohn der Erdmutter Gaía
flüchtete Apollon mit seiner Zwillingsschwester Artemis nach Kreta,
unterzog sich bei einem Priester einer Sühnezeremonie
und konnte so als Apollon
Pýthios über
die Orakelstätte Delphi im eigenen, apollinisch-klaren Geiste
herrschen.
In
der Antike wurde den Pilgern vor dem Besuch des Apollonheiligtums und
des Orakels eine rituelle Reinigung in der Kastalía abverlangt. Wer
aus ihr trank oder nur ihrem Geplätscher andächtig
lauschte, konnte überdies die Gabe der Poesie erhalten; oder auch
beibehalten: Hugo von Hofmannsthal
trank im Frühjahr 1908 aus ihr,
nachdem er seinen Zyklus neubearbeiteter antiker Tragödien
bereits abgeschlossen hatte.
Die
immer noch sprudelnde Quelle versorgt das heutige Delphi mit
Trinkwasser. Wir
können nicht näher treten, da die Kastalía seit einigen Jahren
wegen Steinschlags nicht mehr zugänglich ist. So vertiefen wir uns
in die phantastische Lage: Von der anderen Straßenseite aus erblickt
man die Grabungsstätte des Gymnasion von Delphi und weiter hinten
das halb verborgenes Heiligtum der Athena Pronaía. Beiden
gegenüber, getrennt durch die tiefe Schlucht des Flusses Pleistós,
erhebt sich der Gebirgskamm des Kírphis. An einer Wegkreuzung
in dem Tal zwischen Kírphis und Parnassós soll Ödipus
den ersten Teil des
Delphischen Orakels erfüllt haben, indem er seinen Vater Laios
erschlug. Beide hatten durch das Delphische Orakel von ihrem
Schicksal erfahren, Laios vor der Geburt des Ödipus, dieser, in
Korinth als Königssohn erzogen, als er in Delphi das Orakel über
seine angezweifelte Abstammung befragte; er wollte nicht mehr zurück
nach Korinth und traf so auf halbem Weg nach Theben auf seinen
leiblichen Vater.
Das von uns für
zwei Übernachtungen gebuchte Hotel „Amalia” liegt am Rande des
Dorfes vor einem Wäldchen und vereint den Charmes eines
Gebirgshotels mit dem einer im Bungalowstil erbauten
Jugendherberge. Nach der Einquartierung machen wir noch einen
Spaziergang auf dem von Ruinenstücken gesäumten Weg direkt
unterhalb des eingezäunten Apollon-Heiligtums. Die am Wegesrand
abgestellten Relikte, Tempelfragmente meist, sind nicht sonderlich
gesichert.
Wir
wollen noch ein wenig die Umgebung erkunden und fahren einige
Kilometer weiter bis zu einer Stelle, von der aus man bis zum Golf
von Korinth hinuntersehen kann. Bei dem dortigen Küstenstädtchen
Itéa befand sich in der Antike Delphis
Hafenstadt Kírra,
in der die nach Delphi Pilgernden Zölle zu entrichten hatten. Von
hier oben bis dorthin, annähernd 10 km tief, sollen mit ungefähr
500.000 Bäumen die größten Olivenhain-Plantagen Griechenlands
liegen. Auf einem Sträßchen beim Dorfe Chrissó lässt jemand
seine Hunde immer wieder Schafe zusammentreiben;
es dürften Gebirgsschäferhunde sein, die von den antiken Molossern
abstammen und vielleicht für einen Wettbewerb trainiert werden.
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