Im Hotelzimmer bereiten wir uns schließlich einen Lektüre- und Fernsehabend. Beinahe jederzeit kann man den einen oder anderen US-amerikanischen Film in griechischer Untertitelung sehen. Und ebenso „Die Deutsche Welle”, ein öffentlich-rechtliches Satelliten-Fernsehen, das sein Programm abwechselnd in deutscher und englischer Sprache ausstrahlt.
Am zweiten Reisetag trafen wir in der Nähe des Hotels auf eine junge Frau, die laut jammernd wie nur ein Kind in ihr Mobilfon hineinplärrte. In Delphi dann stört uns im Zimmer nebenan mehrmals eine junge und wie so oft aufgeblondete Griechin, die zuerst einem Bekannten drunten einiges weithin hörbar zuruft und zuletzt ihren Fernsehapparat aufdreht und lauthals mitsingt. Sie schließt die Balkontür erst, als ich in meinem Zorn auf unserem Balkon ihre wie orientalische Melodik nachträllere. In den beiden Wochen unserer Reise registrieren wir öfter ein ähnlich unbeherrschtes Gebaren. Auch können Gespräche zwischen Erwachsenen nach kurzer Zeit in Streit und Zank ausarten; in Fernsehfilmen fallen junge Frauen ihren Vätern gegenüber oft in einen weinerlichen Tonfall, junge Männer hingegen dürfen sich mit ihnen wie mit Brüdern zanken. Den Vätern wird aber anscheinend noch ein gewisses Grundwissen darüber zugestanden, wo es lang zu gehen hat.
Griechische Nachrichtensendungen stürzen sich häufig auf die frischesten Verkehrsunfälle und zerren neben Augenzeugen mitunter auch Verletzte vor die Kamera. In der kurzen Zeit erleben wir zwei Unfälle. In Athen ist es nur ein leichter Auffahrunfall, während in Saloníki nach Bremsgeräuschen eine heftige Kollision zu hören ist. Als wir hinzukommen, wird soeben eine junge Frau von der Straße getragen; sie hatte mit ihrem Auto zwei Taxis aufeinandergeschoben und sich am Knie eine blutende Wunde zugezogen. Die Taxifahrer helfen ihr und lassen ihre Taxis ungesichert auf der Fahrbahn, obgleich unter den heranjagenden Pulks mehrere Autofahrer diese Hindernisse erst im letzten Augenblick erkennen können. In dieser Viertelstunde, bis eine Ambulanz erscheint, sehen wir viele Fahrer mit Handy oder einer Zigarette am Steuer.
Überhaupt ist Griechenland, das in der EU die größten Anbauflächen für Tabak ausweist, eine der letzten starken Raucherbastionen. In den Hotels versuchten wir mehrmals ein „Nichtraucher”-Zimmer zu bekommen, woraufhin uns jedes Mal prompt versichert wurde, dass man so etwas nicht brauche, weil man ja jeden Morgen alles bestens lüfte – so auch die Auskunft eines Portiers mit starker Raucherfahne. In den Cafés und Restaurants fanden sich denn auch nirgendwo (Nicht-)Raucherzonen, nicht einmal in den auch von Kindern frequentierten Frühstückssälen dieser Hotels der A-Kategorie.
Geparkt wir gern auf Zebrastreifen sowie in zweiter oder auch dritter Reihe. Zweimal treffen wir auf Verkehrskontrollen, wurden freilich beide Mal vom blinkenden Gegenverkehr vorgewarnt. Die Polizisten bauen sich anscheinend weithin sichtbar mit ihren Radarpistolen am Straßenrand auf; so wird trotz drakonischer Bußgelder und etlicher unerwarteter Verkehrshindernisse die zulässige Geschwindigkeit häufig um 40-60 Stundenkilometer überschritten. Es scheint da eine gewisse, vielleicht in langer Fremdherrschaft begründete Trotzlust gegen die Obrigkeit zu bestehen; auch für Kleinigkeiten wie bei dem öfter zu bemerkenden Verhalten von Museumsbesuchern, das verbotene Blitzlicht hinter dem Rücken der Wärterinnen oder spätestens im (über-)nächsten Saal erneut einzusetzen.
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